
Durch einen 4,2 Kilometer langen roten Faden, der sich an 36 Sehenswürdigkeiten und wichtigen Plätzen von Hannover entlangschlängelt, lässt sich die Stadt entspannt erkunden. Ich folge simpel stets der knallroten Linie, die auf den Boden gemalt ist und jährlich mit frischer Farbe nachgezogen wird. Die einzelnen Stationen sind nummeriert und die zugehörigen Zahlen suche ich auf den Gehsteigen. An der Information gegenüber dem Hauptbahnhof beginnt der Weg und zieht sich einmal quer durch die Stadt. Ich spaziere vorbei am Opernhaus, der Aegidienkirche, dem Neuen Rathaus, ich schlendere über die Straße „Hohes Ufer“ an den daran angrenzenden Nanas von Niki de Saint Phalle. Diese dicken Frauen sind heute aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Dies war nicht immer so. Vielen Bürgern gefielen die Plastikpuppen nach dem Aufstellen nicht. Es folgte ein Protest der Einwohner von Niedersachsens Hauptstadt und eine intensive Diskussion über Kunst im öffentlichen Raum, letztlich mit Happy End. Den Hannoveranern sind ihre vollbusigen Weiber längst ans Herz gewachsen. Im Jahr 2000 wurde die Künstlerin Niki de Saint Phalle sogar zur Ehrenbürgerin der Stadt ernannt. Namenspaten für ihre drei Frauenfiguren waren Kurfürstin Sophie, Charlotte Buff (Vorbild für Goethes Lotte in „Die Leiden des jungen Werther“) und Caroline Herschel, eine deutsche Astronomin.


Ich befinde mich nur wenige Schritte vom Neuen Rathaus entfernt. Hier erstreckt sich eines der beliebtesten Naherholungsgebiete von Hannover, der Maschsee. Dieser wurde in den 1930er Jahren künstlich angelegt. Wie die Einwohner flaniere ich am Ufer entlang, schaue den Radfahrern hinterher und beobachte die Spaziergänger. Einige Boote haben bereits die Segel gesetzt und wenige Touristen werfen einen Blick auf die Großstadt an der Reiling der Ausflugsschiffe. Im Sommer kann hier sogar gebadet werden. Vorbild für den Roten Faden, an den ich mich durch meinen Mangel an Orientierungssinn stets halte, war der bekannte Freedom Trail in Boston. Ich spaziere bis zum ältesten Bürgerhaus von 1566. Hannover hat wirklich zu Unrecht einen langweiligen Ruf als Messestadt und ist mit den vielen Stadtparks und Parkflächen eine grüne Stadt. Hier kann wirklich jeder sehr gut erholen, der Mix aus Natur und Großstadt gefällt mir. Es gibt hier viel Wasser, viele Parks, viele Wiesen und Wälder. Am Holzmarkt bestehen die einzigen Fachwerkhäuser Hannovers, der Rest wurde leider im Zweiten Weltkrieg zerstört. Nur etwa 40 Gebäude des ehemals großen Altstadtkerns blieben zumindest teilweise von den damit einhergehenden Bränden verschont und verströmen ein gemütliches, heimeliges Flair.


Für die Abendstunden habe ich mir eine Eintrittskarte zum Open-Air Theater besorgt. Eine Komödie wird gespielt. Ich begegne Oliver und Michael, die zwar schon in der Mitte ihres Lebens stehen, aber ihre Männerfreundschaft dennoch stets aufrechterhalten konnten. Sie spielen zusammen Tennis, gehen gemeinsam ein Gläschen trinken und erzählen sich von ihren beruflichen Problemen oder den Herausforderungen ihrer nicht mehr ganz so frischen Ehe. Eines Morgens erwachen beide völlig nackt und mit Handschellen aneinander gefesselt in Olivers Gästebett. Keiner der beiden Freunde versteht die Situation. Dann tauchen natürlich die Ehefrauen der beiden auf, die ebenfalls keine Erklärung für das Verhalten ihrer Männer haben. Nur einmal tippe ich ganz nervös an meinem Glas Wein und bin dann doch ein wenig schadenfroh. Als die Sprache auf Frauen jenseits der 40 kommt, die nun mal bereits die Blüte ihres Lebens hinter sich haben und ausgewechselt werden müssen. Ich bin auf die Enthüllungen gespannt (und fühle mich jetzt erstmal nicht angesprochen)!