Friede und Glück in Osnabrück…

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‚Einen schönen guten Tag!‘ der ältere Herr steht vor dem Rathaus in Osnabrück und  sieht mich freundlich an. Ich nicke ihm zu. ‚Guten Tag. Brauchen Sie mein Ticket oder glauben Sie mir, dass ich bezahlt habe?‘ frage ich. ‚Ich glaube Ihnen alles.‘ kommt die Antwort prompt zurück. ‚Mein Name ist Gustav.‘ Er blickt sich in unserem Kreis um. ‚Wir sind eine kleine Gruppe. Da können wir uns tiefer mit der Geschichte beschäftigen. Sie können gerne Ihre Wünsche äußern.‘ Ich strecke den Zeigefinger. ‚Also ich hätte gerne sehr viel Geschichte. Ich studiere Kulturwissenschaften. Das ist mein Schwerpunkt.‘ sage ich. Gustav lacht laut. ‚Ok, dann von allem etwas.‘ Er dreht sich zur Besuchergruppe um. ‚Der Westfälische Friede liegt nun schon Jahrhunderte zurück.‘ beginnt er seine Erzählung. Gustav winkt ab. ‚Zu viele Jahreszahlen will ich Ihnen ja auch nicht zumuten. Wie wollen wir uns also dem Thema nähern? Wir könnten ja einfach mal einen Gesandten der Schweden betrachten.‘ Er hält eine Abbildung in seinen Händen. ‚Das ist Herr Axel Oxenstierna. Er führte die Verhandlungen zum Westfälischen Frieden an. Ein französischer Gesandter sagte über ihn, er sie ein hoch aufgeblasener Mensch mit nichts im Gehirn, also eine hohle Nuss.‘ Unser Reiseführer hebt belehrend den Zeigefinger. ‚Das war nun nicht so. Er war nur einfach sehr selbstbewusst. Als er in Osnabrück auftauchte war er noch überaus jung, gerade mal 32 Jahre alt. Weißt Du denn nicht, mein Sohn, mit wie wenig Verstand die Welt regiert wird? sagte sein Vater auf die Frage seines Sohnes, ob er für die Verhandlungen zum Frieden schon bereit wäre.

Laut dem französischen Gesandten verfügte Osnabrück damals nur über 3 Straßen. Diese waren schmutzig, es gab keine Kanalisation. Das Wasser stand fußhoch in den Gassen und es stank pestilenzartig. Unser Ort war damals sehr stark von der Landwirtschaft geprägt und war zwar eine Hansestadt, hatte aber diesbezüglich keine großen Beziehungen. Die Gesandten bezeichneten Osnabrück als melancholisch und dreckig.‘ Unser Stadtführer dreht sich zum Gebäude hinter uns um. ‚In diesem Rathaus fand ein Teil der Verhandlungen zum Westfälischen Frieden statt. Damals war unsere Stadt nicht sehr gut gestellt und hatte teilweise noch nicht einmal das Geld für die Gastgeschenke der Gesandten. Fisch, Hafer für die Pferde und besonders Wein gehörten zu den Gaben dazu. Osnabrück hatte das Geld für den Wein z.B. nicht mehr, man hat es sich dann aber zusammen gepumpt. Für die Hochgestellten 273 Liter Wein, das ist schon eine ganze Menge. Auch die Bevölkerung der Stadt machte ihr Geschäft mit der Versammlung. Beispielsweise wurde der Fisch um 150 % teurer. Das war Oxenstierna nicht recht, sein Lieblingsgericht waren Schwedenhappen (Hering). Er konfrontierte die Bevölkerung, dass es auch noch andere Verhandlungsstädte geben würde. So sanken die Preise wieder auf ein normales Maß. Osnabrück war ja stark verschuldet. Für die Stadt sprach eigentlich nur, dass sie unzerstört war.

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Das Haus von Oxenstierna ist heute übrigens leider nicht mehr vorhanden. Er hat dennoch hier gut gelebt mit Goldtapeten und schönen Stoffen. Allerdings starb hier unglücklicherweise seine Frau. Er trug sie hier zu Grabe. Den Oxenstiernen Lebensstil hatten keinesfalls alle Gesandten. Derjenige von Basel wohnte z. B. in einem armen Weberhaus. Ungewöhnlich für die teure Schweiz oder? Wie sah es nun mit der Verpflegung der Gesandten aus?‘ gespannt sieht uns unser Museumsführer an. ‚Es gab hier viele Garküchen. Da konnte man immer einmal etwas besorgen. Pommes mit Mayo gab es aber noch nicht.‘ Er schmunzelt. ‚Ein typisches Essen war gebratener Speck in Butter mit Knoblauch. So viel zur Verpflegung.‘ Er verschränkt vergnügt beide Hände vor seinem Bauch. Er hält den Zeigefinger in Richtung eines Gebäudes. ‚Die Ratsapotheke konnte man damals mit einem Feinkostgeschäft vergleichen. Ein Stammbuch verriet die guten Kunden. Man bekam hier Schnaps, z. B. Anis und feine Pralinen. Axel Oxenstierna taucht in diesem Dokument auf. Es gehörte zu seinen Gepflogenheiten, wenn er Gesandte empfing, dass massenhaft getrunken wurde und zur Mittagszeit jeder Besucher betrunken war. Das war zur Besuchszeit des Schweden vielleicht gar nicht so schlecht. Schnaps desinfiziert ja auch! Zu Zeiten der Verhandlungen war die Stadt in schlechtem Zustand. Es grassierte die Pest im schmutzigen Osnabrück. Zudem war der Ort an keine Postlinie angebunden, was für die Delegation ja sehr wichtig war.Er wurde dann nachträglich an die Reichspost angebunden. Nach Stockholm dauert ein Brief aber 14 Tage. Zusätzlich brauchte die Antwort dann zwei Wochen zurück nach Deutschland. Axel Oxenstierna konnte natürlich nicht so lange warten bis diese zurückkam. Er entschied während der Friedensabstimmungen also auf gut Glück. Vieles wurde mündlich verhandelt. Die Prozessunterlagen umfassten 48 Bände mit insgesamt 34.000 Seiten.‘

Unsere Gruppe schlendert zurück zum Rathaus. In einem Saal mit hohen Decken und rustikalen Eichenmöbeln setzen wir uns auf die dunkle hölzerne Sitzbank. ‚Was denken Sie, wie sich die Gesandten in der Freizeit so beschäftigten, man führte ja nicht immer Verhandlungen? Nun ja, man ging auf die Jagd und besuchte auch die Adligen auf den umliegenden Höfen. Außerdem reservierte man Quartiere für leichtfertige Weibsbilder. Eine italienische Theatergruppe war ebenfalls vor Ort und man konnte deren Vorstellungen besuchen. Und es tauchte dieses Tier auf.‘ Er hält eine Fotografie nach oben. ‚Der Elefant Hansen, der sogar einmal von Rembrandt gezeichnet wurde. Dieser konnte angeblich 21 Kunststücke vollführen, vom Hut aufsetzen bis zu einem Pistolenschuss.‘ Er wird wieder ernst und lässt das Bild sinken. ‚Wir wollen einmal versuchen den 30-jährigen Krieg zu charakterisieren. Was kennzeichnet ihn und wer hat hier gekämpft bzw. stand sich gegenüber?‘ Er zeigt uns einen Kupferstich. ‚Auf der einen Seite kämpfte Adolf von Schweden unterstützt von dem sächsischen Herrscher Johann Georg I. Er hat gegen die niederländischen Kaisertruppen von Feldherr Tilly gekämpft. Dessen meiste Krieger waren Söldner, für diese spielte Religion überhaupt keine Rolle. Sie kämpften für den, der am meisten zahlte. Die Schweden hatten im Gegensatz einen Kriegsruf  ‚Gott mit uns!‘ und so zogen die Gegner aufeinander. Bei so vielen Soldaten wurde die Marschrichtung oftmals dadurch bestimmt, wo man glaubte, das Heer würde satt. Bier brauchte man z. B. wie Sie sich vorstellen können reichlich. Dieser Krieg war so brutal, die Erlebnisse mussten ja verständlicherweise auf jeden Fall in Alkohol ertränkt werden! Für die Bevölkerung war dieser Aufmarsch und die Soldatenversorgung natürlich immer ein Graus.‘ Er hält kurz inne.

‚Wie sah es mit dem Bevölkerungsschwund aus während des 30-jährigen Krieges?‘ fährt er fort und schaut uns fragend an. ‚Die Bevölkerung reduzierte sich von 16 auf 10 Millionen Menschen. 6 Millionen starben also in diesem Krieg. Nicht nur wegen der Kampfhandlungen, sondern auch einfach in der Kälte erfroren oder an Skorbut erkrankt. Viele rafften auch Typhus oder Cholera hinweg.‘ Er lenkt uns zügig aus dem Raum mit der soliden Eichenvertäfelung in den Friedensaal. Er fährt fort. ‚Hier hat ein Teil der Verhandlungen zum Westfälischen Frieden stattgefunden. Am Interieur hat sich im Grunde nichts verändert.‘ Eine Mitbesucherin hebt die Hand. ‚Und wie kam es nun eigentlich zu diesem Krieg? Ich hatte das bestimmt früher in Geschichte, aber es ist mir bis heute eigentlich gar nicht klar.‘ Sie zuckt unschlüssig die Schultern und sieht sich dann in unserer Touristengruppe um. Wir hatten zwar auch alle Geschichte, aber das weiß von uns keiner. Gespannt sehen wir unseren Tourguide an. Dieser antwortet mit einem Zitat von Professor Johannes Burkhardt, der sich eben mit genau dieser Frage beschäftigt hatte. ‚Wenn es je einen Fall gegeben hat, in dem die Zeitgenossen kaum wussten, worum es eigentlich ging und selbst die Handelnden von der Komplexität der Situation überfordert waren, dann war es der 30-jährige Krieg. Also er sagt hier, dass die Zeitgenossen nicht wussten worum es beim Auslöser des Kriegs ging. Und das soll ich Ihnen nun in dieser kurzen Zeit erzählen?‘ Gespielt hilflos ob dieser unmöglichen Aufgabe sieht er uns an.

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‚Ich will es nun in der Kürze der Zeit versuchen.‘ Er faltet nachdenklich die Hände hinter dem Rücken. ‚Dieser Konflikt hatte mehrere Ebenen, die miteinander eng verschränkt sind. Zunächst einmal die Frage der Konfession. Der Beginn der Reformation durch Martin Luther. Es gab im Heiligen Römischen Reich sowohl Protestanten als auch Katholiken. Der Konfessionskonflikt wurde militärisch ausgetragen. Weil dies letztlich keine gute Lösung war, hatte man sich schon 1555 im Augsburger Religionsfrieden auf einen friedlichen Kompromiss geeinigt. Dies trug jedoch nicht zur Befriedung des Kriegs bei. Es bildeten sich sogar verschiedene Bündnisse, nämlich die ‚Katholische Liga‘ und die ‚Protestantische Union‘, de beide ihre Rechte durchsetzen wollten. Zweitens gab es auch einen Gebietskonflikt, denn das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war damals ein bunter Flickenteppich. Es bestand aus insgesamt 380 kleineren Territorien, die viel Autonomie besaßen. Der katholische Kaiser strebte danach alle Macht auf sich zu zentrieren. Während die einzelnen Reichsstände, also sowohl geistliche als auch weltliche Territorien ebenfalls nach der größtmöglichen Selbstständigkeit strebten. Es ging also auch um die Eigenständigkeit der Stände. Als dritte Ebene kommt jetzt noch die außerpolitische Auseinandersetzunghinzu. Alle Länder sind miteinander verwoben. Ausgangspunkt hierzu ist der Prager Fenstersturz 1618.‘

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Er holt tief Luft und fährt fort. ‚Was war da passiert? Vielleicht kennen Sie das auch noch aus dem Geschichtsunterricht.‘ Er sieht mich kurz direkt an. ‚Im Königreich Böhmen war den dort lebenden Adligen Religionsfreiheit zugesichert worden. Sie durften also als Calvinisten ihren Glauben frei vertreten. Nun wurde dort 1617 Ferdinand II König. Er führt eine stringente Rekatholisierung Böhmens herbei. Der Adel protestierte natürlich dagegen. Die Gemüter kochten hoch und beim Fenstersturz warf man zwei königliche Stadthalter aus der Burg. Sie fielen 17 m tief. Und dann noch den Sekratär dazu. Alle überlebten übrigens. Ein Jahr später wählten die streikenden Edelmänner noch einen Gegenkönig und erklären Ferdinand II für abgesetzt. Der neue König hieß Friedrich II. Dieser wurde wenig später Kaiser des Römischen Reiches Deutscher Nation. Dadurch wird aus einem eigentlich deutschen Konflikt plötzlich ein europäischer Krieg. Dieser weitet sich aus. Der Monarch gewinnt gegen die böhmischen Aufständischen 1620. Die Brutalität der Schlacht zeigt sich schon daran wie mit den Aufständischen umgegangen wurde. 24 Todesurteile wurden ausgesprochen und die Köpfe der Ermordeten auf die Brücke vor dem Tor der Altstadt gespießt. Nun mischt sich Spanien ein. Der Habsburger König Ferdinand II gehörte zu deren Geschlecht und so haben die Habsburger die Unterstützung der Spanier. Die kaiserlichen Truppen werden nun von der Pfalz, denn dort befand sich das spanische Militär, weiter nach Norddeutschland getragen. Natürlich interveniert jetzt der König von Dänemark. Dieser möchte gerne den Einfluss von Norddeutschland stärken. Er wird aber besiegt von den Soldaten des Kaisers.

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Der König in Schweden ergreift die Gunst der Stunde und versucht die Vorherrschaft in der Ostsee zu sichern. Gustav II greift also in den Kampf ein. Er stribt dabei. In dieser Situation ist der deutsche Kaiser derart stark, dass es ihm gelingt einen Friedensvertrag mit dem Kurfürst zu Sachsen zu schließen. Die anderen Reichstände schließen sich an. Inzwischen geht es in der Auseinandersetzung um die Vormacht in Europa. Das katholische Frankreich erklärt daraufhin dem protestantischen Spanien den Krieg. Es geht schließlich um die Macht in Deutschland und ganz Europa. Die politisch-militärische Situation war für Kaiser Ferdinand II. um das Jahr 1640 schwierig. Der Reichstag von 1640/41 brachte nicht den politischen Erfolg, den er sich erhofft hatte. Im Jahr 1641 haben zudem Schweden und Frankreich ihr Bündnis auf unbestimmte Zeit verlängert. Versuche einen Separatfrieden mit einem der beiden Königreiche zu schließen, waren damit vorerst illusorisch. Vor diesem Hintergrund begannen im Oktober 1641 in Hamburg Verhandlungen zwischen Abgesandten Frankreichs, Schwedens und dem Heiligen Römischen Reich und mündeten in einem Präliminarfrieden. Dieser legte auch die Trennung der Verhandlungen an zwei Orten in Münster und in Osnabrück fest. In Münster sollten Frankreich und Spanien Frieden schließen, in Osnabrück der Kaiser mit Schweden und Frankreich.

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Man konnte nicht leicht zwischen Protestanten und Katholiken verhandeln. In Münster haben sich diese nie getroffen, sie wollten nicht miteinander sprechen. Man hat sich nicht in einem Plenum abgestimmt, sondern die Gesandtschaften miteinander einzeln. Dies zog sich mit Alkoholkonsum lange hin. Letzlich kam man zu einem Ergebnis. Der 80-jährige Krieg zwischen den Spaniern und den Niederlanden wurd beendet. Der Westfälische Frieden war die Folge und setzte sich zusammen aus dem Münsteraner und dem Osnabrücker Friedensschluss. Der unserer schönen Stadt ist für Deutschland aber wichtige. Dieser klärt die Verhältnisse im Reich, ebenso wie Münster die europäischen Zuständigkeiten klärt. Protestanten und Katholiken hatten ab dann gleiche Rechte. Am 24. Oktober 1648 endete der Krieg, dessen Feldzüge und Schlachten überwiegend auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches stattgefunden hatten. Die Kriegshandlungen und die durch sie verursachten Hungersnöte und Seuchen hatten ganze Landstriche verwüstet und entvölkert. In Teilen Süddeutschlands überlebte nur ein Drittel der Bevölkerung.‘ Ich schlucke, denn da wohne ich ja schließlich. Unser Stadtführer hebt erneut zum Aufmerksamkeit mahnend den eigefinger. Bestimmt war er vor der Rente Lehrer. ‚Nach den wirtschaftlichen und sozialen Verheerungen benötigten einige der vom Krieg betroffene Gebiete mehr als ein Jahrhundert, um sich von den Folgen des Krieges zu erholen. Und keiner weiß am Ende warum.‘ So viele Menschen starben und niemand kannte den Grund. Ich lege den Kopf in den Nacken. Gleisende Sonnenstrahlen spielen warme, bewegte, helle Kringel auf mein Gesicht. Es gab nie mehr einen solchen solchen Konfessionskrieg…


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