Was macht man denn so, wenn man einen sonnigen Samstag vor sich hat? Nach der hässlichen Innenstadt von Essen bin ich überaus froh mich in einer schönen und angenehmen Umgebung zu bewegen. Wir besuchen heute die hübschen Stadtteile des Ortes im Ruhrgebiet. Man glaubt es kaum, dass es diese gibt. Mein Freund ist hier aufgewachsen und kennt sich aus. Wunderbar ist es zu sehen, dass es in einer geschmacklosen Ortschaft auch schöne Ecken gibt. Ich fühle mich nun gleich viel wohler als im grauslichen Innenstadtkern. Direkt neben mir ragt die St. Luciuskirche auf. Das beschauliche Dörfchen wurde nämlich rund um ein ehemaliges Kloster erbaut, weil der heilige Liudger zum Glück mal hier war. Daraus entstand diese wohltuende Perle an der Ruhr. Wir spazieren durch die gemütlichen Altstadtgassen. Mein Auge fängt die Auslage der individuellen kleinen Geschäfte auf. Hier ist alles herrlich unhektisch und gemächlich. Auf der Ruhr glitzert das späte Sonnenlicht und taucht die Umgebung behaglich in goldenes Licht. Wenn es auch in Essen eigentlich keine Altstadt mehr gibt, finde ich diese hier. Diese Szenerie ist derart wunderbar stressfrei, dass ich erst mal tief ausatme. Essens schmucker Stadtteil bietet einen absolut erfreulichen Anblick und lässt mich sofort die Großstadt im Hintergrund vergessen. Ich halte meine Kamera hoch und drücke auf den Auslöser.
Das alte Rathaus Werdens reckt sich lässig in den lauen Wind. Hinter uns liegt die mit Rauchschwaden überzogene, von der A40 verpestete Industriestadt. Gelassen und entspannt schiebe ich beide Hände in die Taschen meiner Jeans. Irgendwo in der Nähe befindet sich die Autobahn mit vielen rasenden Fahrzeugen. In dieser Idylle ist dies kaum zu glauben. Eine kurze Fahrt mit der Straßenbahn bringt uns in den Stadtteil Kettwig, ein ebenso friedlicher, geruhsamer und wie Werden verträumt anzusehender Stadtteil der Großstadt Essen. Auch an diesem Ort schlängelt sich die Lebensader der Ruhr nahe vorbei. Heutige Idylle und Historie des Bergbaus vermischen sich lebhaft zum jetzigen Dorf. Allerdings zieht die Neuzeit derzeit mit neugebauten Ein- und Zweifamilienhäusern ein. Die Umgebung ist geprägt von einem dörflichen Charakter. Ich mustere kurz die überschaubaren Stufen der hiesigen Kirchtreppe, dann schlendere ich weiter. Gotteshäuser gibt es hier nun wirklich wie Sand am Meer. Und natürlich ist eine Kirchtreppe vorhanden, der ich folgen kann und die erst am Tuchmacherplatz mitten in Städtchen endet. Im Mittelalter war diese Eigentum der Kirche. Erst 1850 wurde sie mit ordentlichen Treppenstufen und Geländer ausgebaut. Sie gehört zu 4 mittelalterlichen Feuergassen. Freunde einer gepflegten Fachwerkstadt kommen hier voll auf ihre Kosten. Im 2. Weltkrieg blieb hier alles größtenteils unbeschädigt, sodass heute noch viel originale Bausubstanz erhalten ist.
Erneut steige ich in die Straßenbahn und an der Margarethenhöhe wieder aus. Die Namenspatin und Witwe der Krupp-Dynastie Margarethe Krupp gründete 1906 das Areal ‚Margarethe-Krupp-Stiftung für Wohnungsfürsorge‘ für schwächer gestellte Arbeiter. Dies beinhaltete wie der Name schon sagt Personen, deren normales Gehalt nicht für die Wohnungssuche ausreichte. Bei Krupp mussten diese sogar noch nicht mal unbedingt beschäftigt sein. Die einsetzende Industrialisierung des Ruhrgebiets ging einher mit einer masselosen Zuwanderung von Arbeitskräften. Der vorhandene Wohnraum war binnen kürzester Zeit hoffnungslos überbelegt. Essen war mit den übermäßig vielen neuen Einwohnern gewaltig überfordert. Krupp reagierte mit einem Siedlungsprogramm für die Mitarbeiter. Genau hier, an dem Areal vor dem ich gerade stehe. Die Meisterhäuser befanden sich natürlich in unmittelbarer Nähe zur Fabrik. Diese stehen ebenfalls heute noch. Gegen Ende des 19. Jhd. wurden die Siedlungsprojekte anspruchsvoller. Erstes Ziel war die benötigten Arbeitskräfte anzuwerben und langfristig an das Unternehmen zu binden. Erst nach der Jahrhundertwende begann die Stadt Essen aktiv und vorbildhaft die Stadtplanung zu übernehmen. Margarethenhöhe und Kettwig wurden also eigentlich von der Ehefrau des Kruppgründers realisiert. Der Ort ist im Grunde also absolut ‚wild gewachsen‘. Ich fühl mich wohl. Auch das ist Ruhrgebiet!
In Kettwig bleibe ich auch häufig hängen, weil es dort schön und die Ruhr idyllisch ist.
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Das ging mir ebenso. Nach der eher ungemütlichen Innenstadt von Essen war Kettwig eine überaus willkommene Abwechslung. 😉
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Wunderbare Schreibart und Darstellung.
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