Schrill gellen die Schreie der Silbermöwen über der ruhigen Wasseroberfläche. Vor mir hängt der Bug der ‚Seute Deern‘ an einem Kran inmitten der Weser. Hilflos und unstet wackelt die Gallionsfigur hin und her. Aus drei dicken Schläuchen quillt unaufhörlich Wasser aus dem hölzernen Rumpf. Das THW und eine Firma für Taucharbeiten versuchen das marode Schiff zu retten und leerzupumpen. Die Bark hat ziemlich gelitten und ist insgesamt in einem schlechten Zustand. Über Nacht lief das Wahrzeichen Bremerhavens einfach voll und sank auf den Hafengrund. Jetzt versuchen alle zu retten was geht. Leichter Nieselregen setzt ein und macht das Trockenlegen auf keinen Fall leichter. Etliche Arbeiter überwachen die strömenden Wassermassen, die aus der hölzernen Fassade quillen. Für den Segler erfasst mich tiefes Mitleid. Ich hoffe er kann gerettet werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dasSchiff abgewrackt wird. Wir schlendern an der Uferpromenade entlang zum Zoo am Meer. Eine Menge an Shops, Cafes und Restaurants ziehen an uns vorbei. Ich höre russisch, englisch und französisch. Im Vergnügungsviertel um die Havenwelten konzentrieren sich die meisten Lokale und Einrichtungen. Touristen können hier Fisch essen, ausgiebig shoppen oder eines der Museen im Hafenbereich besichtigen. Außerhalb dieses Gebiets findet sich nur schleppend Infrastruktur. Bremerhaven ist sonst auch eine sehr hässliche Stadt.
Wir schauen uns heute den hiesigen Tierpark an. Der Zoo liegt direkt an der Nordsee. Am gegenüberliegenden Weserufer qualmt und raucht ein Industrieschlot. Von außen erinnert die Silhouette des Parks an ein Schiffsmodell. Braune Steinplatten schwingen sich in Wellenform zu einem bewegten Wasserrahmen. Rechts vom Eingang bläht sich das starre Turmsegel mit angeschlossener Aussichtsplattform des Hotels Sail City. Dem Eisbär Suse I. ist vor dem Eingang ein Denkmal gesetzt. Daneben stochert ein Schimpanse gelangweilt im Torf auf dem Boden seines Geheges. Er lebt in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Königsphyton, die sich permanent unter einem Stein versteckt. Nix los mit der alten Schlange. Eine giftgrüner Gecko schaut mich desinteressiert von einem Ast herab an. Schimpansen pulen mit Hilfe von Stöcken Leckerbissen aus einer Vorrichtung, die dann auf diese herabfallen. Unaufhörlich betätigen sich die Affen ohne Aufzugeben. Durch Überlegen und jede Menge Geduld kommen sie ans Essen. Ich spaziere an den Gehegen entlang. Neben den Eisbären wohnen Minilemminge, eine ungewöhnliche Kombination. Bärin Valeska ist derzeit trächtig und sitzt daher bis zur Geburt ihrer Jungen ungestört in der Bärenhöhle. Babys gibt’s leider erst im November und diese werden im Bärenbau dann aufgepäppelt bis im Mai. Ich kann schon verstehen, dass die Mutter derzeit ihre Ruhe will und sich nicht zeigt.
‚Lisa, guck mal. Ich spiele Frisbee mit einem Seebären.‘ aufgeregt reißt mich mein Partner aus meinen Gedanken. Er wedelt hektisch mit der Hand und grinst. Ich soll ganz schnell herkommen. Sponsor des Aquariums ist die Restaurantkette Nordsee treffender Weise. Ich grinse. Eine Robbe hält hochnäsig die Schnauze in die Luft gestreckt. Ein anderer Seehund liegt entspannt auf einem Felsvorsprung. Robbe im Zoo in Bremerhaven musste man sein. Das sieht sehr entspannt aus. Ein Auge geschlossen, eines geöffnet, kaut ein Seebär genüsslich an einer bunten Knotenkordel. Im Hintergrund glänzt die graue Wasseroberfläche der Weser. Dann fliegt plötzlich ein blauer Frisbee aus dem Wasser über die Gehegebalustrade und erwartungsvoll reckt sich ein grauer Kopf in meine Richtung. In hohem Bogen werfe ich die Drehscheibe zurück und der Seebär schießt augenblicklich hinterher. Ich sehe das Wurfgeschoss nicht kommen. Mit einem dumpfen Geräusch landet das blaue Geschoss an meiner rechten Schläfe. Zielen können die Meeresbewohner leider nicht so gut. Sie können ja schließlich nur mit der Schnauze werfen. Die kleinen schwarzen Äuglein mustern m ich ironisch. Ich gucke wohl ganz schon doof und reibe mir erschrocken den Kopf. Dann muss ich lachen. Das ist wirklich herzallerliebst. Wer hätte gedacht, dass wir hier so nachdrücklich zum Spielen aufgefordert werden. Ich hebe die Hände vors Gesicht. Eine Beule ertaste ich nicht. Und schon fliegt der Frisbee erneut…