‚Meine Damen und Herren herzlich willkommen im friesischen Brauhaus zu Jever. Mein Name ist Manfred. Ich werde jetzt mit Ihnen eine Führung durch unser wunderschönes Brauhaus machen. Natürlich werde ich Ihnen dabei erklären, wie ein Bier gebraut wird. Durch den neuen Bereich der Brauerei geht es heute aus hygienischen Gründen nicht. Dort steht derzeit alles still. Anschließend können wir dafür aber gerne ein schönes Bier zusammen trinken.‘ Auf das Gesicht unseres Tourguides, der uns heute zeigen wird, wo das Jever Pils entsteht, legt sich ein zufriedener Ausdruck. ‚1848 wurde der Grundstein dieser Brauerei gelegt.‘ informiert er uns. ‚1867 wurde die Privatbrauerei bereits von dem Kleinunternehmer Theodor Fettköter übernommen. Schöner Name, nicht wahr? Er hat dieses Unternehmen mit all den Geräten, die wir gleich noch sehen, ausgerüstet. Das Beste, was es zu dieser Zeit an Technik gab. Das Unternehmen gehörte danach noch zu verschiedenen Konzernen bis alles an die Firma Oetker verkauft wurde. Durch die ganzen Fusionen von insgesamt 24 Bierbrauern ist Jever der größte Bierproduzent Deutschlands geworden. Über 15 Millionen Hektoliter des Getränks stellt man jährlich in dieser Gruppe her. Eine ganz schöne Menge!
Natürlich musste viel modernisiert werden. Die Jever Brauerei hat u.a. 17 neue Gärtürme bekommen. 8 davon haben sogar ein Volumen von 480.000 Liter, die anderen 240.000. Wir liegen damit bei einer Jahresproduktion von derzeit 1,8 Millionen Hektoliter und somit bundesweit an 8. Stelle. In Deutschland gibt es etwa so 1.500 Brauhäuser. Im ganzen Land sind über 6.000 verschiedene Sorten Bier erhältlich. Wenn man also jeden Tag eine andere Sorte probieren würde, bräuchte man 20 Jahre um alle zu testen. Insgesamt beläuft sich das Areal der Jever Brauerei auf etwa 25.000 und dies mitten in der Stadt. 220 Mitarbeiter sind hier beschäftigt. Jeder unserer Angestellten erhält monatlich 5 Kisten Bier. Auch nicht schlecht, was? Ich mach das hier ja nur nebenbei, aber 3 Kisten krieg ich auch. Und ich hab ja bei jeder Führung eine Bierverkostung.‘ Manfred grinst zufrieden. Er fasst sich an den Bauch. ‚Ich sage das immer lieber nochmal für die Damen. Vom Biertrinken wird man nicht dick. Das ist wissenschaftlich erwiesen! Den sogenannten Bierbauch gibt es gar nicht. Der Stoff wirkt allerdings als Appetitanreger und dadurch wird mehr gegessen als nötig. Dann hätten wir das schon mal geklärt! Hat sich doch gelohnt herzukommen meine Herren, oder nicht? Dann lasst uns jetzt mal zusammen ein Bier brauen. Da kann ich dann alle Geräte sehr gut vorstellen.‘
Unsere Gruppe folgt Manfred still. Er dreht sich um. ‚Das Bier wird aus Gerste hergestellt. Das in ihr enthaltene Malz hat Kohlenhydrate, Fett und Vitamine. In Mälzereien wird die Gerste bei 18 Grad in Wasser eingeweicht und fängt an zu keimen. Die Enzyme, die sich dabei bilden, werden fürs Bierbrauen gebraucht. Nach etwa 8 Tagen wird alles getrocknet und bei einer Temperatur von 80 Grad wird daraus ein Malz für ein normales helles Bier. Erhöht man die Gradzahl bis auf 220 Grad gewinnt man Röstmalz für ein dunkles Bier. Das nannte man in den Kriegsjahren auch Muckefuck, nämlich Malzkaffee.‘ Er schmunzelt und zeigt mit dem ausgestreckten Zeigefinger der rechten Hand auf die nächstbeste Maschine. ‚Hier sind wir nun am ersten Bottich, dem Maischefangbottich. Das geschrottete Malz wurde hier mit Wasser vermischt und damit vermaischt. Das weiche Wasser in Jever hat ein sehr gutes Aroma und wenig Bitterstoffe. Die guten Stoffe des Hopfens können so viel besser aufgenommen werden. Durch langsames Erwärmen werden alle Stoffe vermengt. So wird bei Naturvölkern heute noch Bier hergestellt. Die Damen dort kauen das Korn durch und es wird mit Wasser vermatscht. Nach 40 oder 50 Mal Draufbeißen kommt da alles zusammen. Es wird dann ausgespuckt und die natürlichen Hefekeime darin, wandeln das Bier um.‘
Er deutet auf das große Gefäß in der nächsten Ecke. ‚Im Läuterbottich trennt sich sozusagen die Spreu vom Weizen, wie auch die löslichen von den unlöslichen Bestandteilen. In der Mitte ist das Sieb, dort setzt sich die Würze ab und wird mit einer ganz bestimmten Menge Wasser durchgespült. Heute darf man nur noch reinen Hopfen verwenden, keine Würze mehr. Sonst verliert die Mischung nach und nach an Aroma.‘ Manfred hält eine Hopfenblüte hoch. ‚Man muss unterscheiden zwischen weiblichem und männlichem, dem sogenannten wilden Hopfen. Leider verzögert dieser den weiblichen Wuchs und darf um kein Hopfenfeld herum stehen. Der Weibliche hat die meisten Aromastoffe, leider wie im täglichen Leben auch die meisten Bitterstoffe.‘ Die männlichen Teilnehmer unserer Gruppe lachen ausgelassen. Manfred leitet uns unter einer niedrigen Decke entlang. ‚Wie kühlte man das Bier nach dem Erhitzen ohne Kühlmaschine auf etwa 8 Grad ab?‘ Erwartungsvoll sieht er uns an. ‚Die unglaublich schlauen Friesen haben sich etwas einfallen lassen und schufen hier Kellergewölbe mit einer Wanddicke von etwa 1,20 m. Dazwischen waren Hohlstücke mit Torf vollgestopft, der eine sehr hohe Isolation hat. Man konnte also hier bis zum Sommer lagern. Um die Gärbottiche legte man zusätzlich Eisschollen. Darunter platzierte man noch eine Eiswanne, um die ebenfalls Eisbrocken gelegt wurden. Das kalte Schmelzwasser lief dann weiter bis zu einem Würzeplattenkühler. Die Würze des Bieres, die von oben 40 Grad heiß hinunterlief verteilte sich hauchdünn über die Platte und wurde wieder in Gärbottiche weitergeführt und mit Hefe vermischt.
In Jever gab es früher um die 40 Brauereien, die ständig wuchsen und sich schließlich zusammenschlossen. Dadurch kam man auf die Idee ein gemeinsames Kesselhaus einzurichten und von dort aus die einzelnen Feuerstellen mit Heißwasser zu bewirtschaften. Hauptbrennmaterial war Torf, Holz war Mangelware. Im 16. Jhd. wurden damit bei uns auch Hexen verbrannt. 1611 hat man hier sogar noch 13 Damen hingerichtet. Ich hatte vor kurzem ein Ehepaar bei einem Rundgang dabei, da schaute der Mann seine Frau an und fragte mich: Ja und warum hat man damit aufgehört? Seine Gattin erwiderte: Mein lieber Mann, ab heute hast Du 6 Wochen Pause!‘ Ich lächle. Das mag bei manchem Ehepaar wohl stimmen. Manfred zuckt hilflos die Schultern. ‚Ja! Sie lachen, aber das muss ich mir alles hier anhören! Folgen Sie mir nochmal hierher bitte!‘ Meine Sohlen klappern auf dem alten, verstaubten Boden des Brauereimuseums. Schon ertönt wieder die Stimme unseres Tourguides. ‚Früher verwendete man braune Bierflaschen, statt grünen um die Keimanzahl gering zu halten. Heutzutage sind alle Buddeln eloxiert, dadurch können keine Bakterien eindringen. In unseren Fläschchen gibt es neuerdings sogar ein Mixgetränk, das ist das Jever Fun Zitrone. Das liegt so bei 0,5% Alkohol. Dann haben wir noch das Jever Fun. Alkoholfrei ist hier auch nicht ganz richtig, es liegt bei 0,3% Alkohol. Vor kurzem war ein Alkoholiker in meiner Gruppe. Er hat sich sofort zu Wort gemeldet und durfte unser Alkoholfreies nicht trinken. Er war seit 20 Jahren trocken.‘
Jetzt hab ich noch eine wunderschöne Kneipe, in die wir gehen können.‘ Er fasst den metallenen Griff der altmodischen, geschnitzten Holztür. Manfred lässt sich auf einem gemütlich wirkenden Hocker nieder. ‚Der letzte macht die Tür zu.‘ Er blickt zum Eingang. ‚Dies ist eine typisch ostfriesische Gaststätte, bis nach dem 2. Weltkrieg sahen die alle so aus. Ich komme aus einem kleinen Ort in Ostfriesland, Dornum.‘ Er deutet sich selbst auf die Brust. ‚Da gabs damals eine Wirtschaft, die mich an diese erinnert. Sie hatte auch diese typischen blaue Wandfliesen und wurde von einer alten Dame bewirtet, Oma de Bur. Als 13- oder 14-jährige Jungs kauften wir uns dort für einen Groschen ein Zigarillo. Dieser wurde dann im Wald verhustet. Der letzte Rest kam in die Nikolauspfeife und wurde dann noch weiter gepafft. Das schmeckte mal bisschen anders als immer nur Torf, Eichenblätter oder Pfefferminztee und was wir sonst noch so geraucht haben. Wir haben es ja überstanden.‘ Er winkt ab. ‚Das war jetzt ein Rundgang durch unser Areal. Der ganze Ablauf vom Einmaischen bis zur Vergärung nennt man einen Sud. Einer liegt heute so bei 950 Hektaliter und man benötigt 14,3 Tonnen Malz dafür. Wir fahren etwa 8 Sude pro Tag. Unsere Flaschenanlage füllt 60.000 Flaschen in der Stunde. Die Fassanlage hier befüllt 240 Fässer in der Stunde ab, egal ob 30 oder 50 Liter.‘
Unsere Gruppe schlängelt sich durch eine zierliche, kleine Tür. Ein überschaubarer Gang führt uns in die heutige Jever Brauerei. Vor uns stapelt sich eine riesige Menge Bierkisten auf. Manfred macht eine beschwichtigende Handbewegung. ‚Alles Leergut. Bitte keine Hoffnungen machen!‘ Er erklärt uns die imposante Anlage. ‚Wir haben eine neue Gäranlage bekommen. Darüber sehen sie hoch aufstrebend die Gärtürme. Wenn man das Ganze mal in 0,2 Liter Gläser umrechnen würde sind da so gerade 18 Millionen davon drin. Das Malz kommt heute immer mit dem Lastwagen. Dafür gibt es eine Qualitätssicherung hier vorne.‘ Mein Blick folgt seinem ausgestreckten Arm. ‚Ein Rohr entnimmt von der Ladung Proben und untersucht diese im Labor in 12 Minuten. Ist die Ware nicht zufriedenstellend, muss der Fahrer wieder gehen.‘ Unser Tourguide beschließt die Führung. ‚Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen. Ich wünsche Ihnen allen noch einen schönen Tag.‘ Alle schlendern in die zum Brauhaus gehörende Schenke. Die Bedienung lässt für die Gäste frisches Jever Pils ein. Mein Freund bestellt das alkoholfreie Fun. ‚Haben Sie für die Dame denn kein Bier mitbestellt?‘ fragt Manfred ihn. Ich schalte mich rechtzeitig ein. ‚Nee, danke. Ich bin Weintrinker.‘
Hach, wär das schön: Jetzt ein frisches, kühles Jever! 🙂
Liebe Grüße,
Werner
LikeLike