Der Wind ist übermächtig. Ich trete in die Pedale des kleinen, gemieteten Drahtesels und komme dennoch kaum voran. Jede ankommende Böe lässt mich augenblicklich auf der Stelle stillstehen. Absolut reglos abgesehen von meinen verzweifelt zappelnden Beinen auf den Pedalen. Schließlich erbarmt sich mein Freund und lässt mich in seinem Windschatten fahren. Unterwegs treffen wir Spaziergänger und andere Radfahrer. Allen zaust der Wind in den Haaren. Mir auch. Ich bin so außer Atem, mir geht nicht mal mehr das höfliche ‚Moin‘ zur Begrüßung über die Lippen. Zum Glück reicht die Puste dann doch bis zum Juister Billkliff. Wir stellen unsere Räder ab und gehen zu Fuß weiter. Die frische Brise fährt immer noch permanent in die Lungen und lässt kontinuierlich meine Nase laufen. Das Klima hier ist trotz der eisigen Luft belebend und wunderbar. Ich fühle mich sehr wohl. Nachdenklich verschränke ich beide Arme. Mit welcher Strategie könnten wir einfach für immer an diesem Ort bleiben? ‚Ich mach hier einfach Naturaufnahmen als Fotograf.‘ schlägt mein Partner vor. Ich runzle die Stirn. ‚Das könnte in dieser Umgebung sogar klappen. Fotos oder Mitbringsel für die Touristen.‘ überlege ich.
Das vor uns liegende Riff ist wunderbar einsam. Außer uns sind keine Spaziergänger unterwegs. Einzeln treiben farbige Boote mit geblähten Segeln auf den rauen, sich türmenden Wellen. Mit harter Wucht schlägt das Wasser auf den Sandstrand und die schneeweißen Gischt prallt glitzernd auf die grauen, schroffen Felsen, die aus dem Wasser aufragen. Angeschwemmte bunte Muscheln knirschen unter jedem meiner Schritte. Möwenfedern kleben auf dem feuchten, sandigen Untergrund. Ein kleines weißes Krebsskelett leuchtet zwischen den farbigen Kieseln. Der heftige, starke Wind bläst die feinen Körnchen über meine Kleidung. Ich schmecke das Salz des Meeres auf meiner Zunge. Diesen Geruch möchte ich nie wieder missen. Ich genieße das Aroma der See. Barfußspuren laufen quer über den Sand. Ich finde die kleinen Abdrücke eines Hundes und die noch winzigeren Krallenspuren eines Vogels nebeneinander. Elegant segelt eine Möwe in den vom Meer zurück gelassenen Schaum. Ein Pferd hat nach deutlichen Hufspuren seine Pirouette hier im Sand gedreht.
Lautstark und kontinuierlich tönen die Propeller eines Rettungshubschrauber, der über uns zur Insel fliegt. Der permanente Lärm übertönt den heulenden Wind. Neugierig laufe ich an den sandigen Dünen mit den spärlichen Grashalmen und Büschen entlang. Das Billriff ist ein Brutplatz für Vögel und eine Raststätte für Robben zwischen ihren Beutezügen im Meer. Ich darf es daher nicht betreten um die Tiere nicht zu stören. Nur wenn man mehrere hundert Meter Abstand hält fühlen diese sich sicher. Wähnen sie sich gefährdet, würden sie bei ihrem Rückzug wertvolle Energie verbrauchen. Diese Kraft benötigen sie eigentlich zum Weiterfliegen oder Schwimmen. Enttäuscht sehe ich die Sandbank entlang. Kein Seehund lässt sich derzeit am Rastplatz sehen. Ich hatte auf deren Gesellschaft gehofft. Wohin man blickt schimmert der Sand in kleinen Pigmenten wie glitzerndes Gold. Je nach Einfall der Sonnenstrahlen flutet den Sand ein grelles Mosaik aus verschiedenen Creme- und Gelbtönen bis hin zu Braun und Orange. In diesem Moment denke ich mir, es kann niemals einen schöneren Ort auf der Welt geben. Nur den, an dem ich gerade stehe. Wie oft kam mir schon auf meinen Reisen dieser Gedanke!