Mit der Fähre nach Juist

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Ein graues Wolkenband verhüllt den Himmel über der Nordseeinsel Borkum. Im Osten geht rot glühend der Sonnenball auf. Tutend fährt der kleine Zug, in dem ich sitze, in den überschaubaren Hafen mit dem Fähranleger. Ein Auto ist schon auf den Straßen unterwegs. Die Ostfriesische Insel Borkum versprüht an diesem Morgen eine allgegenwärtige, woltuende Ruhe. Heute setze ich über nach Juist, der direkten Nachbarinsel. Unser Ausflugsboot verlässt den zierlichen Hafen sehr früh. Ein Bäcker hat innerhalb des ganzen Eilands noch nicht auf. Deshalb halte ich auch keinen Kaffee in der Hand. Die Verpflegung auf der Insel ist natürlich und logischerweise teurer als auf dem Festland. Aber es muss ja auch das meiste mit dem Schiff erstmal hierher gebracht werden. Die Infrastruktur besonders zu dieser morgendlichen Stunde ist recht durchwachsen. Unser Touristenschiff zieht eine weiße breite Schaumspur hinter sich her. Die aufspritzende Gischt rahmt sowohl den spitzen Bug des Dampfers als auch dessen Rumpf. Faul räkeln sich Robben auf den schmalen Sandbänken, die wir gemächlich tuckernd passieren. Sie bringen hier ihre Jungen zur Welt, da dort die Strömung nicht so stark ist. Kleine Möwen staksen von den Seelöwen völlig unbeachtet durch den feuchten Sand auf der Suche nach Nahrung.

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Im sanften Grün der Dünen stehen einsame Häuser gleich Eremiten in der grünen Wildnis der kleinen Insel und entfernen sich kontinuierlich aus meiner Sichtweite. Volltönend rattert der Motor. Das Boot schwankt leicht im Wellengang. Die See ist eisig kühl, aber die Strahlen der Morgensonne wärmen wohltuend das Gesicht. Ich recke müde beide Arme in die sanfte Hitze. Das gleisende Licht bringt die Wellenkäme auf der Wasseroberfläche zum Glänzen. Wie pures Gold schwimmt das Leuchten auf dem Wasser, das den wunderbar azurblauen Himmel spiegelt. Dann kommt Juist in Sicht. Ein einzelner Leuchtturm ragt aus der Insel empor. Wir sind in Töwerland, wie die Einheimischen ihr Zuhause nennen, angekommen. Ich bin froh hier zu sein. Dieser Ort ist absolut autofrei und dadurch entspannt, leise und einfach angenehm schön. Die Läden und Cafés machen hier vor 10 Uhr nicht auf. Es gibt nur einen Bäcker auf dem gesamten Eiland, der hat Mittwoch und Donnerstag Ruhetag. Man kann die Brötchen dann in einem der drei Supermärkte kaufen, die es hier gibt. Kleine Bollerwagen, die mit den Namen der hiesigen Unterkünfte versehen sind, liegen zum Transport des Touristengepäcks bereit. Pferde ziehen einen Abfallcontainer durch die Straßen. Der Müll wird getrennt und aufs Festland transportiert, ansonsten würde er hier das Grundwasser verunreinigen. Ein anderes Gespann bringt Getränkekästen und Waren zu den wenigen Shops. Autos besitzen hier nur Feuerwehr, Rettungsdienst und Notarzt. Parkplatzsuche oder im Stau stehen kann hier nie als Ausrede verwendet oder zum nervigen Problem nach der Arbeit werden.

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Die Gehsteige sind aus denselben rotbraunen Klinkersteinen wie die Häuser. Die Fensterrahmen leuchten stets in weiß. Das Tempo auf dieser Insel ist gemächlich und gemütlich, aber dennoch konstant. Meine Absätze klackern auf dem orangenen Pflaster. Ich summe ein Seemannslied, das ich noch von meiner Oma kenne. ‚Seemannsbraut ist die See. Und nur ihr kann er treu sein…‘ Komisch ansehen tut mich niemand. Hier wird schließlich regelmäßig Dünensingen veranstaltet und dann tritt so mancher Shantichor auf. An der Straßenecke unterhalten sich zwei Frauen über die Tochter einer Einheimischen. ‚Die ist doch so dick geworden, das ist so eine Matrone‘ die Hände der Dame holen weit aus um ihren Worten Nachdruck und Beweis zu verleihen. ‚Ja durch das Baby!‘ meint ihre Gesprächspartnerin. Beide nicken zustimmend und sind sich einig. Ich lächle. Das ist Dorfleben pur. Jeder kennt Jeden. Ob jemand dick oder dünn ist, kann auf Juist ein durchaus lohnendes Thema für einen morgendlichen, längeren Plausch sein. Ich sehe mich in der Straße um. Es gibt sogar ein Kino hier. Vorstellungen gibt es immerhin 3 am Tag. Der komplette Ort ist schnell entdeckt. Ich wandere auf Pfaden, die ich vor einigen Minuten bereits gesehn habe. Dennoch werde ich nicht müde mir alles erneut anzuschauen. Die Langsamkeit umarmt mich. Auf den Straßen muss ich lediglich auf mögliche Pferdehaufen achten. Dies ist hier so ziemlich die einzige Sorge. Ich setze mich in ein Kaffee. Für Juist bin ich fast noch zu hektisch und muss irgendwie die Zeit dieses Tages totschlagen. Es dauert eine Weile und ein paar Heißgetränke bis mir dies Vergnügen bereitet und ich die Eile eines Stadtmenschen ablege. Die Stunden vergehen langsam. Bald stellt sich ein gemütliches Wohlgefühl ein. Gelassenheit und Entspannung zum Glück dann auch.

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2 Gedanken zu “Mit der Fähre nach Juist

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