Das Zwitschern der Vögel in den Bäumen vor dem Fenster ist erholsam lebendig und melodisch. Ich blicke in den Garten vor dem Zimmer. Meine Unterkunft liegt in entspannter Natur. Überall leuchten der Rasen und das zartgrüne Frühlingsgras. Der Himmel ist wolkenlos und azurblau. Hinter dem Haus kann man sofort ins Grüne losspazieren und die Seele baumeln lassen. Ich schlendere am Kurpark vorbei unter Alleebäumen hindurch zur Innenstadt Traben-Trarbachs. Aus dem Nirgendwo rund um meine Unterkunft laufe ich angenehme 2 Km. Dieser kleine Ort ist eine bezaubernde Jugendstilstadt und zum Glück heute nicht touristisch überlaufen. Am anderen Moselufer leuchtet die verzierte Fassade des Hotel Bellevue. Träge plätschern die Wellen dahin. Das ganze Städtchen versprüht eine wohltuende Entspanntheit ganz ohne Hektik. Was wäre in dieser angenehmen Gelassenheit ein besserer Tagesbeginn als durch das Buddha-Museum am Rande der Altstadt zu laufen?
Hier gibt es wirklich wahnsinnig viele verschiedene Buddhas. Einen für die Vorzeit und einen für die Zukunft. Einen für jede Himmelsrichtung und einen für das Zentrum. Buddhas mit spezieller Funktion wie z.B. Medizin oder für bestimmte örtliche Gebiete zuständige. Den kleinsten Buddha der Welt findet man ebenfalls hier im Museum. Er hat die Größe eines Streichholzkopfes. Der vermutlich größte liegt noch von Wüstensand begraben irgendwo in Afghanistan. Eines ist allen Statuen gleich: Sie haben überlange Ohrläppchen, eine Erhöhung auf dem Kopf, die die Erleuchtung anzeigt und ein drittes Auge auf der Stirn. Buddha sieht und hört nämlich alles was so auf der Welt passiert. Bei meiner Reise nach Thailand und Laos habe ich auch Fußabdrücke besucht, die er hinterlassen haben soll und die genauso verehrt werden wie die Ganzkörperstatuen aus Bronze und Stein. Der Fuß soll an Buddhas Geburt erinnern. Unmittelbar nachdem er auf der Welt war, tat er sieben Schritte in jede Himmelsrichtung und nahm damit die Welt in Besitz. So einfach war das. Wo sich der Abdruck seiner Schritte befindet, war er auch schon persönlich vor Ort. Sein Geist verweilt dann an diesem Platz weiterhin. Oftmals werden an diesen Stellen dann neue Tempel errichtet.
Buddhas Fuß ist immer charakterisiert durch 5 Zehen gleicher Länge. Ebenso sind die Finger gleich lang, nur der Daumen manchmal nicht. Auf der Fußsohle ist häufig eine Lotusblüte abgebildet. Seine Körpergröße und –fülle ist keinen normalen Maßen oder Einschränkungen unterworfen. Wie groß er ursprünglich war ist nicht klar. Die Asiaten sind sich in diesem Punkt uneins. Japanische Legenden vermuten eine Körpergröße von 4,80m. Ein Fußabdruck ist damit etwa 75cm lang. Im Museum sind über 2.000 Buddhaexponate ausgestellt. Überall glänzt die goldene Haut, die Augen auf der Stirn weit geöffnet und die Füße im Lotussitz unterschlagen. Zahlreiche gütige Augenpaare sind auf mich gerichtet, manche sind in völliger Ruhe und Losgelöstheit von der Welt andächtig geschlossen. Die Sammlung ist einfach überwältigend, obwohl der goldene Schein mein Auge reizt und blendet. Die Statuen hat ein privater Sammler aus der ganzen Welt gekauft und hier an der schönen Mosel in einem Museum zusammen getragen.
Irgendwie frage ich mich allerdings ob alle Ausstellungsstücke hier wirklich frei verkäuflich waren. Schließlich ist es eigentlich nicht erlaubt etwas aus den asiatischen Tempelanlagen mitzunehmen und die gezeigten Stücke sind alle Originale. Womöglich kann man einer solch speziellen Sammlerfreude durch gute Beziehungen aber beikommen. Ich bin wohl nicht die einzige, die diese Gedankengänge hat. Die Erläuterung bietet das Museum selbst. Der Sammler trug die Statuen in 25 Jahren aus aller Welt zusammen. Eine ehemalige Weinkelterei, die aus Altersgründen aufgegeben wurde, bot sich als Aufenthaltsort der Kollektion an. Buddhas kann man in buddhistischen Ländern tatsächlich kaufen. Entsprechende Gesetzesvorschriften, Preise und auch die Qualität der Ware sind je nach Land sehr unterschiedlich. Zudem findet weltweit ein Verkauf zwischen den einzelnen Sammlern statt. In großen und kleinen internationalen Auktionshäusern sind immer Ostasiatica im Angebot, zu diesen gehören die Buddhas.
Es ist ein wunderbares Angebot auf der großen Museumsfläche mit der buddhistischen Kultur in Berührung zu kommen ohne Deutschland verlassen zu müssen. Bei den vielen schimmernden Buddhastatuen umfasst selbst mich als Nichtbuddhistin ein angenehmer göttlicher Schauer. Wie muss es da erst einem Asiaten gehen? Ich könnte hier Stunden verbringen und die vielen Statuen betrachten, die von Weisheit erfüllt vor sich ins Nichts lächeln. Ein paar östliche Touristen haben sich ebenfalls ins Museum verirrt und fühlen sich augenscheinlich sehr wohl. Da die meisten asiatischen Länder stark auf den Tourismus angewiesen sind ist diese Ausstellung unbeabsichtigt ja auch eine gute Werbung für das eigene Land. Mich fasziniert das Lossagen von allem materiellen Reichtum. Das finde ich ziemlich schwer. Geld ist zwar nicht alles, aber es bringt auch Qualität in Lebensbedingungen. Ich möchte weder meinen Fön weggeben noch meine Wohnung oder mein kleines Auto. Trägt Buddha Schmuck, dann nur wenig und schlicht. Oft steht vor ihm ein Almosentopf, da er auf der Suche nach Erleuchtung allen weltlichen Gütern abgeschworen hat. Die dicken, lachenden Buddhas sind sogenannte ‚Buddhas der Zukunft‘ oder ‚lachende Buddhas‘ und gehen auf den Mönch Qici zurück, der in China als Inkarnation von Buddha gilt. Qici lebte als wandelnder Bettelmönch im 10. Jahrhundert und hatte einen dicken Wanst. Der richtige Buddha hieß Siddharta Gautama Shakyamuni. Allerdings weiß niemand, wann er genau geboren wurde. Wahrscheinlich um 500 v. Chr. im indisch-nepalesischen Grenzgebiet. Sein Geburtstag fällt in das Frühjahr, etwa in die Zeit wenn die Christen das Pfingstfest feiern.
Ist der Buddhismus dann eigentlich eine Religion? Der Erleuchtete war ja ein Mann und kein göttliches Wesen und wurde etwa 80 Jahre alt. Die Menschen in den buddhistischen Ländern würden diese Frage vermutlich dennoch bejahen. Buddhismus ist also eigentlich eine Religion ohne Gott oder? Das wird schon daran deutlich, dass theoretisch jeder Mensch ein Buddha werden kann, aber niemals ein Gott. Für Götter interessierte sich der menschliche Buddha nicht. Er suchte nach Einsichten und fragte nach der Ursache des menschlichen Leidens. Er beschäftigte sich mit den Bedingungen der Menschheit. Dennoch ist es wohl so, dass er im Laufe der Zeit zu einer Gottheit erhoben wurde. Seine Anhänger organisieren sich in Orden ähnlich denen unserer Mönche. Ich würde sagen, der Buddhismus ist eine Art Lebenspraxis um ein möglich achtsames Leben im Hier und Jetzt zu ermöglichen. Auch wenn er keine Religion ist, würde ich dieser Lehre den Vorzug vor allen uns bekannten Glaubensrichtungen geben. Der Buddhismus ist für mich viel realistischer und nachvollziehbarer als das Christentum. Und in seinem Namen wurde noch nie ein Krieg geführt.
Man muss auch nicht viel glauben, sondern eher Erkenntnisse sammeln und die Welt durchschauen und verstehen lernen. Es ist eine entspannte Vorstellung, dass der Kopf, die Gedanken und damit auch das Ego einmal endlich zur Ruhe kommen können. Ebenso glaube ich an das Karma. Es ist nun mal Gesetz, dass jede Ursache eine Wirkung nach sich zieht. Und diese Wirkung ist dann wieder Ursache und führt zu einer nächsten Konsequenz. Eine gute Tat ist nichts wert, wenn ihr Zweck eigennützig ist. Ich finde auch die Vorstellung von Wiedergeburten möglich. Die Zeitspanne eines Lebens ist für mich viel zu kurz. Wie soll man denn in dieser kurzen Zeit die gesamte Welt bereisen? Auch wenn natürlich das Ziel ist irgendwann nicht mehr geboren zu werden und ins Nirwana einzugehen. Irgendwann hat man dann auch einfach mal genug gelebt. Das erinnert mich an ein Gedicht von Wilhelm Busch. ‚Also hat es dir gefallen hier in dieser schönen Welt, so dass das Vondannenwallen Dir nicht sonderlich gefällt. Lass dich das doch nicht verdrießen. Wenn du wirklich willst und meinst, Wirst du wieder aufersprießen, nur nicht ganz genau wie einst. Aber, Alter, das bedenke, dass es hier doch manches gibt, zum Exempel Gicht und Ränke, Was im Ganzen unbeliebt.‘