Im Bunker der Bundesbank

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Die Sonne spiegelt sich weißlich auf den dunkelgrünen Wellen der Mosel. Sacht schwappt das blaugrüne Wasser gegen die steinerne Uferböschung. Ein einzelner Schwan dreht auf der sanft schaukelnden Flussoberfläche elegant und gemächlich seine Runden. Viele der Geschäfte in Cochem sind heute geöffnet, obwohl es Sonntag ist. Vor allem Wein kann man hier so ziemlich zu jeder Tages- und Nachtzeit im Überfluss kaufen. Direkt vor mir fährt ein Transporter vorbei. ‚Mensch guck doch nicht so traurig.‘ ruft der Fahrer dem kleinen Bub zu, der neben mir steht. ‚Du bist doch noch nicht mal verheiratet.‘ Ich grinse. Der Mann kennt sich aus. Der Junge winkt ihm zu. ‚Er ist einfach zu warm heute.‘ murmelt er dann. Das stimmt. Es ist tatsächlich das erste schöne Wochenende dieses Jahres. Die Sonnenstrahlen der Frühlingssonne streicheln wohltuend die Haut an den Armen und im Gesicht. Gelassen schlendere ich durch die schönen Altstadtgassen hübschen Moselstädtchens. Mein Spaziergang führt mich über die alte Moselbrücke in den Stadtteil Cond. Hier unterhielt die Bundesbank von 1964 bis 1988 einen geheimen Bunker. Das Gebäude ist von außen völlig unscheinbar und grau.

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Zum Ende des 2. Weltkrieges hatten die Siegermächte ziemliche Angst, dass fremdes Falschgeld nach Deutschland eingeschleust werden würde. Hintergrund war dabei, dass das Nazi-Regime versucht hatte die britische Wirtschaft mit falschen Pfundnoten zu überschwemmen, um das Vertrauen der Bevölkerung in Wirtschaft und Währung zu zerstören. Daher sollte in dem unterirdischen Bau eine Zweitwährung lagern. Eben dieselbe Menge an Geld die zu diesem Zeitpunkt bereits in der Welt unterwegs war. Dies waren Ende der 50er Jahre 26 Milliarden Mark. 11 Milliarden davon waren im Ausland in Umlauf. Diese Summe hatte im Bundesbunker in Frankfurt am Main Platz. Der Rest musste woanders gelagert werden. An einem Ort, der nach Möglichkeit gut an den Fernverkehr angeschlossen war und in der Nähe eines Flugplatzes lag. In der Umgebung von Cochem befinden sich mit Ramstein und Spahn in der Eifel auch heute noch zwei amerikanische Flugplätze. Der Fliegerhorst Blüchel mit dem Taktischen Luftwaffengeschwader 33 der Bundeswehr und den letzten atomaren Sprengsätzen ist lediglich 7 Km entfernt. Zusätzlich würden bei einem Atomangriff die Druckwellen über die bergige Umgebung abgelenkt werden und den Bunker daher nicht zerstören. Ebenso liegt Cochem auch recht nahe am damaligen Regierungssitz in Bonn und nicht weit weg von Frankfurt als Finanzumschlagplatz und Hauptsitz der Bundesbank.

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sdrDie Bundesbank kaufte das Grundstück von einem Arzt, der in Rente ging und baute hier zur Tarnung ein Schulungsheim für ihre Beamten. Selbst die Ausbildungsteilnehmer wussten nichts vom eigentlichen Nutzen der Anlage. Die Tarnhäuser waren durchaus als Schulungsraum geeignet. Die Praxis und das Wohnhaus sind durch einen unterirdischen Gang miteinander verbunden. Das umgebende Grundstück musste natürlich dazugekauft werden, damit der gesamte Bunker unter einem Areal liegt. Nach seiner Auflösung kam das Grundstück auf den Immobilienmarkt. Die Volksbank kaufte das Gelände nach einem starken Hochwasser und nutze es als Tresor. Nachdem diese fusionierte wurde das alles abermals verkauft. Eine Unternehmerfamilie erhielt den Zuschlag um hier ein Hotel zu errichten und restaurierte das Gebäude aufwendig. Ich gehe einen langen Tunnel entlang, der in einen Flur mündet. Hier unten ist es erfrischend kühl, fast schon eisig. Eine Schleusentür führt durch einen weiteren 100m langen Gang zum Tresor und damit in früheren Zeiten zum Geld. Die gesamte Anlage ist erdbebensicher gebaut. sdrFür den Fall eines Atomanschlags gibt es eine weitere Schleuse mit einem Dekontaminationsraum, in der sich die evtl. radioaktiv Verstrahlten entkleiden und alle kontaminierten Klamotten entsorgen können. Danach musste man dort 20 Minuten duschen und wurde dann von einem Arzt untersucht. Dieser war permanent im Gebäude stationiert. Da im Falle eines Atomanschlags Temperaturen um -20 Grad erwartet wurden enthielt der Bereich spezielle Anzüge und Wollunterwäsche gegen die eisige Atmosphäre. Zusätzlich zum Geld war geplant Konserven und Wasser einzulagern und die Vorräte alle 3 bis 4 Jahre auszutauschen. Im Ernstfall wäre die Speisekammer vom Schulungsheim aus bestückt worden. Es musste ja dann möglich sein dort einige Zeit zu überstehen. In der Tat hätten dort etwa 175 Personen ca. 2 Wochen überleben können. Die technisch hochmoderne Anlage besaß einen eigenen Brunnen und in einem Tank lagerten 18.000 Liter Diesel für die Notstromaggregate. Selbst wenn die Welt oberhalb durch Naturkatastrophen  oder Krieg zusammen gebrochen wäre, auf eines hätten sich die Deutschen verlassen können: Die Deutsche Mark würde es als Währung auch weiterhin geben. Und dies relativ schnell. Gerade zwei Wochen waren für die Verteilung der Notstandsversorgung geplant. dig

Der Bau der unterirdischen Einrichtung blieb den Nachbarn in Cochem Cond natürlich nicht verborgen. Schließlich arbeitete man von 10 Uhr morgens bis 22 Uhr abends an den Sprengungen. Aufgrund der permanenten Lautstärke der Arbeiten häuften sich zunehmend die Beschwerden der Anwohner. Die Verantwortlichen für den kontinuierlichen Krach luden also alle Einheimischen aus der Umgebung in die Räumlichkeiten ein und zeigten diesen das angebliche Schulungsheim für die Beamten der Bundesbank. Den Anwohnern wurde erklärt, dass lediglich ein Luftschutzraum für das Heim darüber erbaut wurde. Man betonte die Atomsicherheit der Anlage und beteuerte, dass man auch Platz für die 70-80 Nachbarn der Umgebung schaffen würde. Allerdings natürlich nur für diejenigen, die in Cochem nichts vom geheimen Bunker erzählten. Ansonsten sollte man im Falle eines Atomschlages nicht eingelassen werden, da nicht für alle Menschen Raum wäre. Hier wurde gezielt die Angst der Menschen wegen den damals aktuellen Geschehnissen um die Kubakrise ausgenutzt. Gewirkt hat diese Drohung sehr gut. Heute weiß man, dass sogar internationale Geheimdienste nichts vom Falschgeldlager gewusst haben.

In einem kleinen Raum innerhalb der Anlage wurden mithilfe einer Sicherungsanlage alle Geräusche im Bunker erfasst. Ein Hausmeister kam einmal auf die blöde Idee in einem der schallisolierten Zimmer Trompete zu üben. Sein Sohn schlief und er wollte diesen nicht wecken. Da die ungewöhnlichen Töne einen stillen Alarm auslösten stand wenig später die Polizei vor ihm. Der musikalische Hausmeister, der Heimleiter und ein Techniker waren konstant vor Ort. Alle 3 hatten keinen Zugang zum Tresor und auch nicht die Polizei. Zur Öffnung mussten die Schlüsselführer aus Frankfurt kommen. Diese erfolgte nach dem 6 Augen Prinzip. Die 8 Tonnen schwere Tresortür konnte nur durch ein Zahlenschloss und die jeweils 3 Schlüssel geöffnet werden. Früher lagerten hier vom Boden bis zur Decke die Banknoten der neuen Währung in 10, 20, 50 und 100er Scheinen mit einem Gewicht von 375 Tonnen. Heute befinden sich hier nur noch Nachdrucke, das ganze Altpapier wurde bereits entsorgt. Dennoch werden auch heute noch gelegentlich Einzelscheine der Zweitwährung auf dem Schwarzmarkt gehandelt. dav

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Wichtig bei der Kreation der Geldscheine war, dass die Bürger die neue Währung sofort erkennen konnten. Innerhalb einer gewissen Frist wäre die Bevölkerung im Falle von Falschgeldumlauf aufgefordert worden ihr Geld in die neue Währung umzutauschen. Die alten Banknoten wären nach dieser Zeitspanne wertlos. Das unechte Geld sollte möglichst schnell wieder aus dem Volk kommen. Die Kaufkraft innerhalb des Landes würde damit aufrecht erhalten und eine nationale Wirtschaftskrise verhindert werden. Man stellte einen Garant für die Preis- und Währungsstabilität innerhalb Deutschlands. Für Westberlin erwartete man nach dem Krieg übrigens viel früher das Aufkommen von Falschgeld, denn es lag schließlich wie eine kleine Insel inmitten des Ostens. Für die Stadt wurde daher eine kleinere Extrawährung geschaffen. Der Bargeldumlauf in der Bundesrepublik stieg stetig an. 1979 belief er sich bereits auf 79 Milliarden DM. Dies war ein Mehrfaches der Ersatzwährung. Zusätzlich verbesserte sich die Druckqualität von Falschgeld stark. Mitte der 80er Jahre sollte die Zweitwährung im Bunker daher noch mal aufgestockt werden. Dieser Beschluss wurde jedoch wieder verworfen.

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Die Geldscheinen wurden durch Bundesbankmitarbeiter gezählt, in Kartons und Jutesäcke verpackt und verplombt. Zeitweise schaffte man die Bearbeitung nicht mehr, sodass die Druckereikartons direkt eingelagert wurden. Innerhalb der Anlage gibt es Betten für 30 Personen. Dennoch berechnete man für die Verteilung etwa 70 benötigte Mitarbeiter. Dadurch, dass in Rotationschicht gearbeitet werden sollte reichten die Schlafplätze trotzdem. Oberhalb des Tresors befanden sich Büros für die Verwaltung, die zur Verteilung der Währung nötig wäre. Evtl. konnten hier noch weitere Beschäftigte schlafen. Alle Anrufe der Geldanforderung sollten über eine Vermittlungsstelle gehen ohne direkten Kontakt nach draußen. Hierfür gab es ein separates Kommunikationszimmer. Wie sollte bei einem Atomschlag überhaupt noch der Austausch funktionieren? Das Netz müsste dann ja wohl unterirdisch verlaufen. Und wer informiert eigentlich dann die Leute hier drinnen, das es soweit ist? Die gesamte Anlage zeigt anschaulich die Gedankengänge während des ‚Kalten Krieges‘. Der Konflikt zwischen dem Westen und dem Ostblock war allseits präsent. Deutschland war als Grenzstaat durch seine Lage zwischen beiden Rivalen gefährdet. Ein atomarer Krieg galt als nicht ausgeschlossen. Ich stehe im Randbereich des Bunkers. Von hier führt ein Notausgang über eine 25m lange Wendeltreppe in ein Waldstück der Umgebung. Ich blicke nach oben. Scheinbar endlos ringeln sich die Stufen bis zur Erdoberfläche. Die gesamte Anlage ist autark. Versorgt wurde sie durch ein Dieselaggregat im Keller. Das Kühlwasser hierfür wurde in den Turm des Notausgangs integriert. sdr

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Es war überaus wichtig, dass die Zweitwährung geheim blieb, da man sonst ja sofort neues Falschgeld hätte drucken können. Was für Probleme, denke ich mir und wie viele Steuergelder hier wohl eingeflossen sind. Ich betrete den großen Tresorraum und drehe mich im Kreis. Heute finden in diesem Raum Konzerte statt. Das letzte Mal ein Jazzkonzert während einer Veranstaltung zum absolut passenden Thema Kapital und Geld. Im Jahr kommen in den Bunker etwa 30.000 Besucher. Am Tag der Deutschen Einheit im Jahr 2018 war hier sogar die Sendung mit der Maus. Ob es wohl auch eine Ersatzserie für den Euro gibt? Das weiß keiner, ist aber durchaus anzunehmen. Vor der Euroeinführung fragte man eine ältere Cochemer Dame was diese denn von der neuen Währung halte. ‚Ich denke der Euro wird sich in unserem kleinen Eifeldörfchen nicht durchsetzen.‘ entgegnete die Omi, das viele unterirdisch gelagerte Papiergeld in Deutscher Mark im Sinn. Hat er aber doch und heute kann man fast ganz Europa bereisen ohne Geld umzutauschen. Für die Nachbarn war im geheimen Bunker übrigens wirklich Platz, die Bundesbank hatte wie versprochen für diese vorgesorgt. In diesem Fall hat die Politik wenigstens einmal Wort gehalten!

 

 


3 Gedanken zu “Im Bunker der Bundesbank

  1. Empfehlung: ‚mal unter „Reutergeld“ googeln. Vor meinem Umzug nach MeckPomm sammekte ich ein paar Infos und bin darauf gestoßen (habe mir gleich 2 kleine antike Scheinchen besorgt – man weiß ja nice, was kommt..)

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