Der Duft von gebrannten Mandeln, Lebkuchen und Nougat weht in einem unwiderstehlichen Aroma aus der Holzhütte gegenüber. Die Dächer der kleinen Bude sind mit leuchtend grünen Tannenzweigen und kleinen Glaskugeln verziert. Obwohl bereits seit Oktober die ersten Schokoladenherzen und Plätzchen in den Regalen der Supermärkte zu finden waren ist mein Weihnachtsgefühl begrenzt. Der frühe Verkauf direkt nach Halloween hat in den letzten Jahren etwas Unwirkliches angenommen. Bei den milden Temperaturen völlig ohne Frost bleibt bei mir die Weihnachtsvorfreude aus. Eine Blaskapelle aus Männern unterschiedlichen Alters stimmt ‚Klingglöckchen Klingeling an.‘ Ich schaue mich um. Der Schnee fällt auch in diesem Jahr nicht. Die Hafenweihnacht in Lindau ist der erste Weihnachtsmarkt des Jahres. Er beginnt bereits vor dem 27. November, dem Datum an dem die meisten deutschen Adventsmärkte starten.
In der Innenstadt von Lindau baumelt am Mangtrum aus dem Fenster ein Rapunzelzopf als Weihnachtswitz. Osteuropäische Clowns verteilen aus bunten Luftballons gedrehte Schwerter und Gewehre als ungeeignetes Spielzeug an kleine Kinder. Der Geruch von warmem Glühwein zieht mir zwischen den weihnachtlich geschmückten Holzbuden im Hafengebiet würzig in die kalte Nase. Einer der Marktstände bietet sogar finnischen heißen Most mit einem alkoholischen extra Schuss an. Ich hatte diesen hübschen Ort am Bodensee aufgesucht um etwas Weihnachtsstimmung zu finden und in die weitere Woche mitzunehmen. Ich bin vielleicht zu früh am Tage hierher gekommen. Die romantische Dämmerung mit der wunderschönen Kulisse des Sees hätte mich sicher verzaubert. Die musikalische Darbietung der Bläserkapelle schwenkt in die amerikanische Richtung. Beim Klang von ‚I am dreaming of a white Christmas‘ schaue ich skeptisch auf das graue Kopfsteinpflaster. Vielleicht zeigen sich ja nun doch noch ein paar Schneeflocken um die richtige Weihnachtszenerie einzuläuten.
Die Flammkuchen und der geräucherte Flammlachs am Stand der Finnen riechen eher nach Weinfest als nach Heilig Abend. Das rauchige Aroma kommt vom offenen Feuer des Standes und mischt sich mit dem Parfum der angebotenen selbstgemachten Seifen und Schokoladenfrüchte zu einem unvorteilhaften Odeur. ‚Besuchen Sie eine unserer Adventsrundfahrten. Wir bieten Ihnen Hafenfahrten mit Glühwein und Punsch zu verschiedenen Zeiten an jedem Tag. Karten erhalten Sie beim Ticketverkauf in der Nähe der Anlegestelle.‘ die quietschende Stimme aus dem Lautsprecher durchschneidet unpassend alle zwanzig Minuten die unbeirrt tönende Weihnachtsmusik aus den Holzbuden. Ich blicke rings um in frohe und erwartungsvolle Gesichter. Beim ersten Punsch des Jahres lässt es sich wohltuend über die kommenden festlichen Tage im Kreis der Familie und Freunde sprechen. Gedanken an die Geschenke, die man anderen gibt und wohl auch selbst erhalten wird, huschen über die glücklichen Gesichtszüge. Der süße Punsch und die herannahende Kälte röten die Wangen und wärmen die Glieder.
An einem Stand verkauft ein älterer Herr Ringe aus Kieselsteinen. Eine alte Frau bietet daneben Wollsocken und Fellmützen an. Glänzende Edelsteine liegen neben flackernden Windlichtern und kunstvoll verzierten Kerzen. All dies kann man sicherlich mit der Adventszeit und der Kälte der winterlichen Jahreszeit verbinden. Was mir dennoch wieder auffällt ist, dass das Gefühl von Weihnachten immer in uns selbst liegt und auch dort entsteht. Durch eine weihnachtliche Umgebung kann man diese Besinnlichkeit wohl erst herbeiführen, wenn wir innerlich dazu bereit sind. Da kann man wie bei so vielen Dingen im Leben und Alltag nichts erzwingen. Sich auf Weihnachten freuen liegt allein in uns selbst und hat mit den vielen Weihnachtsartikeln in den Regalen der Supermärkte nichts zu tun. Dieses Fühlen ist ein kontinuierlicher Prozess. Da darf man sich nicht unter Druck setzen. Ich denke bei mir dauert die Ankunft der Weihnachtsfreude in diesem Jahr einfach etwas länger.