Vor kurzem hatte mir ein Schwabe erklärt, dass es den Schwarzwald auch im Schwäbischen gibt. Das mag für einen kleinen Ausläufer wohl stimmen. Aber eigentlich ist dieser Wald für mich badisch. Der Großteil des Schwarzwalds liegt in Baden. Seit meiner Kindheit, in der ich die Sommerferien oft auf dem Bauernhof meiner Großeltern im Nordschwarzwald verbracht habe, mag ich diese Region. Am liebsten sind mir die Berge mit den immergrünen Tannen, die sogar im Winter und völlig mit glitzerndem Schnee beladen den Funken eines lebhaften Grüns versprühen. Meine Großeltern hatten einen Bauernhof mit vielen Tieren wie Hühnern, Katzen, Hunden, Kühen und Gänsen. Außerdem haben sie eigenen Wein hergestellt und selbst Schnaps gebrannt. Schwarzwälder Kirsch ist ja schließlich auch weltberühmt. Als Kind war es für mich eine Idylle durch die Weinberge zu laufen und das Gemüse aus dem hofeigenen Garten oder Obst von den weitläufigen Feldern zu ernten. Ich habe auch die Katze gefüttert und gelegentlich einen Snack selbst probiert. 30 Jahre später darf man das denke ich zugeben.
Im schönen Schwarzwald entwickelten sich in den verschiedenen Regionen eine Vielzahl von Bauerntrachten. Die kleinen Kleiderunterschiede lassen dabei sogar den Heimatort des Trägers erkennen. Haslachs Trachtenmuseum im hübschen Kinzigtal bietet einen schönen Überblick zur traditionellen Mode. In Formen und Farben war die Kleidung geprägt vom landwirtschaftlichen Alltag. Wohlstand oder Armut und auch die religiöse Gesinnung ließen sich an den getragenen Kleidern ablesen. Bäuerliche Trachten hatten im 18. Jhd. ihren Höhepunkt. Bis Ende des 19. Jhds wurden sie überall im Schwarzwald getragen. Es gab eine Werktags-, Sonntags- und Festtagstracht. Ein gegründeter Trachtenverein hat durch zahlreiche Feste in Baden die alte Trachtenkleidung bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jhds. bewahrt. Dem Verein wurde allerdings nach kurzer Zeit vorgeworfen durch künstliche Konservierung der Folkskleidung und der Vorführung des Landvolkes bei den Festen in den Städten falsche Eindrücke zu vermitteln. Dadurch würden schlechte Sitten innerhalb der Bauernbevölkerung geduldet.
Heute werden in vielen Vereinen, Kapellen, Orchestern und Tanzgruppen innerhalb des Schwarzwalds immer noch die traditionellen Kostüme getragen. Kernstück der Kleidung ist an kirchlichen und persönlichen Festtagen der Schäppel. Das ist eine Brautkrone, die kunstvoll gestaltet und überall mit kleinen Glasperlen, Spiegelchen, Papier- und Metallflitter verziert ist. An Hochzeiten und Kirchenfeiertagen schmücken sich Mädchen und Bräute damit. Junge Mädels tragen die Krone das erste Mal bei der Kommunion, das letzte Mal bei der Hochzeit. Dann kommen diese ja schließlich unter die Haube und die tragen sie dann auch. Schäppelmacherinnen entwerfen den Kopfschmuck je nach Region zu unterschiedlichen Vorstellungen. Das Grundgestell besteht aus gebogenem Draht und Holz. Die Perlen stammen aus den Glashütten innerhalb des Schwarzwalds. Dem Schmuck mit glänzenden Spiegelchen wurden abwehrende Kräfte gegen Böses zugeschrieben. Mit einem bestickten Band wurde der Schäppel auf dem Kopf festgebunden und am Hinterkopf zur Schleife geflochten. Etwa 3-5 Kilo sind die Kronen schwer. Zur Tracht gehörte ein festlich gekräuselter Kragen. Schäppel werden in vielen Regionen heute noch an Festtagen im Schwarzwald getragen.
Die idyllische Atmosphäre des Schwarzwalds und der Trachten wird seit Ende des 19. Jhds. auf beliebten Postkartenmotiven festgehalten. Von billigen Kitschbildern bis zu hochwertigen Künstlerportraits war da schon alles dabei. Oftmals verwendete man auch arrangierte und gestellte Fotografien als Ansichtskarten. Der absolut unverzichtbare Teil der Schwarzwälder Tracht ist der Bollenhut. Seit etwa 1750 gehört er zur Tracht der Frauen dazu. Bei unverheirateten jungen Mädchen sind die Bollen rot, bei verheirateten Frauen schwarz. Aufgrund des malerischen Aussehens, und auch durch diverse Heimatfilme, wurde der Bollenhut zum allgemein bekannten Symbol für den ganzen Schwarzwald. Er ist das auffälligste Merkmal der Region und praktisch deren Wahrzeichen. Die Wollbommel wird auf einem simplen Strohhut angebracht. Jede Kopfbedeckung hat elf Bollen als Symbol für das Erdliche, die vier Himmelsrichtungen und den dreieinigen Gott. Ein einzelner Hut bringt dabei bis zu zwei Kilogramm auf die Waage. Zur traditionellen Tracht der Frauen gehören neben dieser Kopfbedeckung auch ein schwarzer Faltenrock, sowie eine weiße Bluse mit weitem Halskragen, Puffärmel und violetten Bändern.
Seinen eigentlichen Ursprung hat der Bollenhut in den drei Dörfern Gutach, Kirnbach und Reichenbach. Einer Anweisung durch die ansässige Kanzlei aus dem Jahr 1797 lässt sich entnehmen, dass auf die Strohhüte der Region die übliche Dekoration von schwarzer und roter Farbe aufzutragen sei. Dem einfachen Aufmalen folgte im Laufe des 19. Jhds. das Aufnähen kleiner Wollrosen. International bekannt wurde der Hut durch den Heimatfilm „Schwarzwaldmädel“, der 1950 als erster deutscher Farbfilm ins Kino kam. Hauptdarstellerin Sonja Ziemann wurde in der Tracht zur Ikone einer Bilderbuchlandschaft. Der erste deutsche Heimatfilm entstand nach einer Operette von August Neidhart unter der Regie von Hans Deppe. Die Tracht der Männer im Schwarzwald ist wesentlich schlichter. Sie kleiden sich in schwarzer Hose, dunkler Weste und weißem Hemd. Auf dem Kopf sitzt ein schwarzer Hut. Das Wort Trachten kommt übrigens vom ‚Tragen‘. Handwerklich gefertigte Kleidung ist sehr teuer und hat überhaupt nichts mit Dirndl oder Landhausmode zu tun. Gut angezogen ist man mit Trachtenkleidern, Jacken, Hemden und Hosen allemal. Vor allem das Personal vieler Hotels und Restaurants im Schwarzwald sind derart gekleidet und empfängt so die Besucher und Gäste.
Trachtenmode aus dem Schwarzwald kaufen nicht nur Touristen, auch die Einwohner ziehen sich noch immer gern schick an. Dies gilt bei Wein- oder Dorffesten ebenso wie am Erntedankfest oder bei privaten festlichen Anlässen. So wurde die Schwarzwäldertracht mit Kuckucksuhren und Kirschtorte weltweit berühmt. Dabei ist die Kleidung mit dem Bollenhut nur eine von etwa 120 Schwarzwälder Trachten. Und sie wird nur in den drei oben genannten Dörfern im mittleren Schwarzwald getragen. Bereits 1939 warb der damalige Landesfremdenverkehrsverband mit einem Werbeprospekt, dessen Cover ein Mädel mit Bollenhuttracht vor einer typischen Schwarzwälder Landschaft zeigt. Ich würde furchtbar gern so eine Tracht anziehen. Leider besteht hier im Museum überhaupt nicht die Möglichkeit. Bei einem Kopfschmuck, der 5 Kilo konnte man sich früher wohl das Fitnesstudio sparen.