Am Set von Disney

Die Achterbahn ist dermaßen schnell, dass meine Gesichtshaut richtig straff gezogen wird. Kleine Tränentropfen kullern aufgrund der Geschwindigkeit aus meinen Lidern. Meine Fingern krallen sich um die Vorrichtung, die mich während der Fahrt in meinen Sitz presst. Ich fliege mit Lichtgeschwindigkeit durch die den Sternenkrieg, der um mich in der Dunkelheit tobt. Ich spüre in der Schwärze wie der Rucksack meiner Mitfahrerin langsam in meine Richtung wackelt. Mir scheint das bei den vielen Loopings eher kritisch. Beständig schiebe ich mit meinem Turnschuh den Beutel wieder zu meiner Nachbarin. Nach jedem Salto rutscht die Tasche zurück. Mein Fuss drückt diese erneut in die Gegenrichtung. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Mit dem Rucksack am Fuß rase ich durch die Düsternis. Zum Glück blieb dieser im Wagen und landet nicht beim Überkopf fahren auf den Schienen.

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Mit wackeligen und zittrigen Beinen und Knien steige ich aus dem Bob. Endlich komme ich dazu mir die Tränchen aus den Augen zu wischen. Gegenüber stolpert ein Kind auf einer kleinen Mauer und fällt kopfüber in die Zweige und Blätter eines Busches. Der Junge fängt sofort an zu weinen. Das eindringliche Geräusch vermischt sich mit dem dezenten Schwindel, in dem ich mich gerade befinde. Langsam tapse ich vorwärts. Nach zwei Tagen im Disneyland fühle ich mich durch die ständige Märchenmusik und die vielen Shops, die gemäß der Disneygeschichten eingerichtet sind, wie in einer riesigen Gehirnwäsche. Ich kann das Gedudel von Dumbo und Peter Pan fast nicht mehr hören. Alles ist darauf ausgerichtet zu Verkaufen. Wahrscheinlich wurde der gesamte Park von Psychologen unter diesen Gesichtspunkten geplant. Trotzdem macht die Reise in die eigene Kindheit irgendwie Spaß. Mit einer Mädelsgruppe feiere ich in dieser Umgebung den 40. Geburtstag einer guten Freundin.

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Nach der rasanten Fahrt lassen es etwas langsamer angehen und steigen auf Aladins fliegende Teppiche. Leider sind wir 4 Erwachsenen viel zu schwer um wirklich an Höhe zu gewinnen. Auf halbem Weg stürzt unser Perser immer wieder abrupt ab. Ganz anders bei Kapitän Nemos Nautilus. Die steigt sogar so hoch auf, dass einer der Geburtstagsgäste aus unserer Gruppe Höhenangst bekommt. Die Attraktion um Schneewittchen und die 7 Zwerge erliegt als wir uns in die Warteschlange gesellen einem technischen Defekt. Mit den Fahrgeschäften innerhalb des Themenparks haben wir heute wohl kein Glück. Im Restaurant der Davy Crocket Ranch soll am Abend Eves Geburtstagskuchen auf uns warten. Schon beim Betreten des Lokals höre ich den lauten ‚Happy Birthday‘-Gesang an einem der vorderen Tische. Das gesamte Küchenteam steht um das Geburtstagskind und singt. Eine dunkelhäutige, beleibte Küchenhilfe schwingt begeistert beide Fäuste im Takt nach oben. Inbrünstig und konzentriert bringt sie ihr Ständchen. Sicherlich trällert die Frau sonntags auch in einem Gospelchor.

Beim Anblick der feiernden Meute stellt sich mir irgendwie die Frage, ob es sich um Eves Geburtstagstorte handelt. Eine völlig kindische Annahme wie sie einen Erwachsenen nur im Disneyland beschleichen kann. Ich grinse. Wenn ich für jede Schnapsidee in diesem unwirklichen Universum einen Euro bekommen hätte wäre ich jetzt sicher reich. Dazu verleitet diese realitätsferne Wirklichkeit und Märchenwelt. Wir sind alle immens hungrig und stürzen uns aufs Buffet. Es ist erstaunlich, wieviel sich manche Leute auf den Teller laden können. Und welche Kraft manch einer einsetzt um sich die besten Stücke zu sichern. Beobachtet man Restaurantbesucher bei der Auswahl an Speisen zur Selbstbedienung könnte man meinen, die meisten wären kurz vor dem Hungertod. Es entwickelt sich eine solch ehrgeizige Schlacht um die besten Bissen, dass sich Caesars Legionen davon unter strategischen Gesichtspunkten etwas hätten abschneiden können. Nach dem Essen warten wir auf unseren Kuchen. Ziemlich lange und vergeblich. Irgendwann fragt unser Geburtstagskind beim Personal nach.

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Fragend sieht uns die Angestellte an. Von der Torte weiß sie nichts. Die Frau verschwindet schnell in der Küche. Ich wusste es. Mein inneres Kind hat es geahnt. Das andere Geburtstagskind hat unseren Kuchen geklaut. Wahrscheinlich hat sich das Mädchen über die unerwartete Aufmerksamkeit sogar total gefreut. Ob wohl sie diese ja gar nicht gebucht hatte. Ich hoffe wirklich, dass sie diese Dienstleistung dennoch bezahlen muss. Weil wir jetzt keinen Kuchen haben. Im nächsten Moment ertönt wieder der Geburtstagssong. Alles Personal sammelt sich um unseren Tisch und wünscht uns einen tollen Tag. Die leidenschaftlich singende Köchin ist ebenfalls dabei. Die Torte hat die Form eines Mickeymauskopfs und ist mit Marshmallows und Gummibärchen gespickt. Eve freut sich sichtlich über den Kuchen und das dargebotene Lied. Also haben sie uns doch nicht vergessen, denke ich erleichtert. Das Geburtstagskind schneidet die Torte an. Es geht sichtlich schwer und mühselig. Die Geburtstagsgäste schieben den ersten Bissen des lecker aussehenden Kuchens in den Mund. Er ist noch gefroren.

 


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