Ein Tag am Strand in Capitola

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Der plötzliche Aufschrei meiner Tante zerreißt die morgendliche Stille im friedlichen San Jose. Ihr Tonfall zeigt, dass sie sich ganz schön erschrocken haben muss. Onkel Mike schaut neugierig auf den Boden. Maxi, der Hund der Familie hatte kurz aufgebellt und war sofort wieder verstummt. ‚Da liegt die Hälfte eines toten Eichhörnchens auf der Terrasse. Das Tier wurde glatt durchgebissen.‘ informiert mich meine Tante. Ich nehme erschrocken einen großen Schluck Kaffee. Hoffentlich machen wir jetzt nicht Bekanntschaft mit einem der Pumas oder Schlangen, die sich gelegentlich in die Wohngebiete verirren. ‚Du warst es ja sicher nicht Maxi, oder?‘ frage schaue ich den Hund an und kraule ihm liebevoll das Fell im Nacken. Das Tier zu verdächtigen ist völlig absurd, Maxi ist fast blind. Es ist schon spannend, wie die Bewohner von San Jose mit den gefährlichen Tieren in der bergigen Umgebung umgehen. Meine Kusine Michelle hatte gestern erzählt, sie hätte eines morgens die Haustür geöffnet und eine Klapperschlange davor gefunden. Das wäre mein persönlicher Alptraum. Ab diesem Tag würde ich die Eingangstür nie mehr öffnen.

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‚Geh bitte noch duschen bevor wir losfahren.‘ meine Kusine Jessica delegiert ihre kleine Tochter Richtung Bad. Vivienne schüttelt energisch den Kopf und hebt in ihrem Unverständnis beide Ärmchen. ‚Wenn man zum Strand fährt muss man doch nicht duschen. Warum verstehen Mamis das denn nicht?‘ sagt sie mit besonderem Nachdruck. Ich muss unwillkürlich grinsen. Obwohl das kleine Mädchen noch in der Grundschule ist, ist sie auf ihre Art und Weise oft bereits so schlagfertig und tiefsinnig, dass man ihr eigentlich nichts entgegen setzen kann. Irgendwie kann man ihr zustimmen. Wasser gibts am Strand wie in der Dusche zu Genüge. Mit meinem Bikini in der Hand setze ich mich ins Auto. Wir wollen den Tag heute am Meer verbringen. Ein Auto kommt uns entgegen. BBQ Bob steht auf dem Nummernschild. Das ist typisch amerikanisch, denke ich. Die Menschen hier lieben Grillfeste und das Essen ist ja auch wahnsinnig lecker. Das weiß ich seit gestern. Meine Familie hatte zum BBQ eingeladen, denn es war Memorial Day. Meine Tante wohnt im Umland von San Francisco in einem Stadtteil von San Jose. Wir fahren durch grünes Bergland. Die asphaltierte Straße wird von moosgrünen Tannen und Laubbäumen mit zartgrünen Blättern eingerahmt.

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Nach 45 Minuten tauchen die ersten Surfershops am Straßenrand auf. Die Vorgärten der ausladenden Häuser in Capitola by the Sea sind von dichten Palmen gesäumt. Vor den Gebäuden stehen auf einem Holzstab die Postboxen. Die Garagen sind in die Häuser integriert. Weite und hohe Fenster bieten viel Licht. Die Amerikaner haben gern viel Platz. Zu meiner rechten taucht im Autofenster der azurblau schimmernde Ozean auf. Kleine Boote schweben elegant auf den blassblauen Wellen. Ich kann bereits den goldenen Sandstrand sehen, von dem sich die Surfer in die ankommenden Fluten stürzen. Wir legen Decken aus und setzen uns in den feinen gelben Sand. Die Luft riecht nach Meer und Salz. Ich kann das frische Aroma schmecken, wenn ich mit der Zunge über meine Lippen fahre. Hier ist es wunderschön und erholsam. Möwen stacksen durch den Sand fast bis zu unserer Decke. Die kühle Brise vom Meer weht eine willkommene kalte Abkühlung zu uns herüber. In einem der kleinen Shops werden Austern verkauft, in die Perlen eingeschlossen sind. Man kann diese dann eingefasst in einen Anhänger an einem Armreif tragen. Meine Tante Gaby schenkt mir eine Auster. Ich finde dieses Andenken wunderschön und habe bisher bei meinen Reisen nichts ähnliches gefunden.

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Meine Zehen graben sich in den weichen Sand. Die kleinen Körner rieseln sanft über meine Haut. Ich könnte hier ewig sitzen bleiben. Meine Nichten buddeln sich gegenseitig im Sandstrand ein. Die Sonne brennt unbarmherzig auf uns herab. Die Glut wird durch die angenehme Meeresbrise leicht unterschätzt. So ergeht es mir auch. Mein Rücken schmerzt. Die Sonne hat meiner Haut extrem zugesetzt. Meine Finger befühlen leicht meine feuerrote Rückseite. Als die Fingerkuppen auf die Haut treffen ziehe ich scharf die Luft ein. Am Nachmittag fahren wir zurück nach San Jose. ‚Ich kann machen, dass es Dir besser geht.‘ meine kleine Nichte Vivienne lächelt mich aufmunternd an. Mit ihren zierlichen kleinen Fingern bricht sie ein Blatt der Aloe Vera Pflanze meiner Tante ab. Aus der Bruchstelle quillt eine weißliche Flüssigkeit. Leicht und behutsam tupft das kleine Mädchen den weißen Pflanzensaft auf meinen verbrannten Rücken. ‚Es soll Dir bald wieder gut gehen.‘ ist die kleine Krankenschwester überzeugt. Das Liquid kühlt angenehm und die Fürsorge der jungen Dame tut ihr übriges für mein Wohlbefinden.

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Dankbar sehe ich in die großen braunen Kinderaugen. Im Grunde können wir von unseren Jüngsten den besten Umgang im menschlichen Miteinander lernen. Ein Kind ist völlig frei von Hintergedanken oder Vorteilsdenken. Es sorgt sich um jemanden, der ihm nahesteht, einfach um der Person willen. In der Handlung eines Kindes liegt das pure ehrliche Empfinden, das wir als Erwachsene oft verlernt haben. Eine gewünschte Unbedarftheit im Sinn, die ich manchmal gerne hätte. Ohne Bedenken für Konsequenzen oder Folgen. Ein Sein und Denken im Hier und Jetzt. ‚Danke Vivienne.‘ ich lächle das  kleine Mädchen an. ‚Das ist lieb von Dir.‘ Meine Nichte erwidert das Lachen. Einige unserer heutigen Staatsoberhäupter sollten mal auf dieses kleine Mädchen treffen und sich von deren Verhalten etwas abgucken. Bei dieser besonderen Betreuung tut der Sonnenbrand schon gar nicht mehr weh.

 

 


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