Mein Blick schweift über die braunen Mauern des besterhaltensten römischen Portals in ganz Deutschland. Durch den beständigen Zahn der Zeit ist das Tor zu großen Teilen fast schwärzlich eingefärbt, was ihm ins Deutsche übersetzt den Namen ‚Schwarzes Tor‘ einbrachte. Sonnenflecken zieren den graubraunen Stein und malen helle Lichtkringel auf die dunkle Fassade. Die Oberfläche der Porta Nigra in Trier scheint durch das wärmende Lichtmuster in ständiger Bewegung. Der Schein der Frühlingssonne überzieht die Umgebung mit einem behaglichen Strahlenfilm, der die alte Torwand gegen den azurblauben Himmel aufleuchten lässt. Scharf grenzen sich die steinernen Konturen gegen das von durchscheinenden Wattewölkchen durchzogene Blau ab. Die viertgrößte Stadt in Rheinland-Pfalz soll etwa 16v.Chr. von den Römern als Augusta Treverorum gegründet worden sein. 180n.Chr. begann Kaiser Marc Aurel die Porta Nigra zu bauen. Das Portal ist also fast zweitausend Jahre alt. Endgültig fertiggestellt wurde das Monument nie. Im Mittelalter wurde es komplett ummauert und als Kirche genutzt. Der byzantinische Mönch Simeon ließ sich dort einmauern, da er ein Leben als Eremit führen wollte. Anfang des 19. Jahrhundert ließ Napoleon dann den Kirchenstatus wieder aufheben und alle Anbauten abreißen. Lediglich ein winziger Teil des Gebäudes ist heute noch erhalten. Seit 1986 gehören die römischen Ruinen innerhalb der kleinen Großstadt (ca. 100.000 Einwohner) an der Mosel zum UNESCO Welterbe.
Gemütlich schlender ich über den Vorplatz des Portals direkt in den Trubel der Fußgängerzone. Auf dem Hauptmarkt tummeln sich die Menschen zwischen den vielen Händlerständen. Ständig schieben mich Hände und Ellenbogen zwischen Blumen, Obst, Gemüse und Weinprobierständen hin und her. Unfreiwillig stoße ich gegen andere Passanten und unfreiwillig zu einzelnen Auslagen gedrängt. Mutig versuche ich den Ausbruch durch die Mitte des Menschenstroms und nach einigen Ellbogenstößen spuckt mich der Trubel des Marktes direkt vor den Eingang des Doms zu Trier. Hier wird der ‚Heilige Rock‘ aufbewahrt, angeblich ein Teil der Tunika, die Jesus bei der Kreuzigung anhatte. Der Legende nach soll das Kleidungsstück von der heiligen Helena, der Mutter von Kaiser Konstantin dem Großen, nach Trier gebracht worden sein. Diese reiste zwar im Jahre 326 nach Jerusalem, aber es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass sie dort die Kleider eines Mannes fand, der 300 Jahre zuvor hingerichtet worden war. Wenn es ihn überhaupt gegeben hat. Wesentlich logischer klingt es für mich, dass Trier mit diesem Fund die Abtei Prüm übertreffen wollte, die seit 752 angeblich im Besitz von einer der Sandalen von Christus ist. Die Reliquie ist eine Fälschung des 12. Jhds im Rahmen eines Konkurrenzkampfes unter zwei Kirchengemeinden. Ansehen und Einfluss von Trier wuchsen durch die Darstellung des Kleidungsstücks so sehr, dass Prüm seine Selbstständigkeit einbüßte und Trier eingegliedert wurde. Tunika schlägt Schlappen.
Nicht weit vom Dom liegen die Ruinen der Kaiserthermen, der jüngsten von Triers römischen Badeanlagen. Sie wurden zu Anfang des 4. Jahrhunderts begonnen und gehörten damals zu den größten Badeanlagen des römischen Reiches. Das ankommende kalte Wasser wurde in insgesamt sechs Kesselräumen aufgeheizt, von denen noch vier sichtbar sind. Etwa 500 m von den Kaiserthermen entfernt erstreckt sich das Amphitheater. Es fasste damals etwa 20.000 Zuschauer, Trier war zur Römerzeit eine reiche Stadt. In der zweiten Hälfte des 2. Jhds n.Chr. gebaut, wurde es schnell ein Teil des Alltags vieler Bürger. Der Kaiser bot den Bürgern hier ‚Brot und Spiele‘, um die Menschenmenge bei zufrieden zu halten und Aufstände zu ersticken. Getreide wurde günstig oder kostenlos an die unteren Schichten verteilt, der Eintritt zu den Zikrusspielen war gratis. Darunter fielen Tierhetzen (venationes) und Gladiatorenkämpfe entschieden über Leben und Tod. Ebenso fanden Hinrichtungen statt und wurden wichtige Ankündigungen ausgerufen. Das Amphitheater wurde bis Anfang des 5. Jahrhunderts genutzt. Im Mittelalter wurde es wie die Thermenanlagen als Steinbruch und Lieferant für Baumaterial genutzt. Seit 1997 gibt es in Trier zum Gedenken daran, die jährlich stattfindenden Römerspiele mit realistischen Inszenierungen im alten Amphitheater. Noch heute bezeichnet die Aussage ‚Brot und Spiele‘ eine Regierungsweise, bei dem das Volk mittels Geschenken und Veranstaltungen von politischen oder wirtschaftlichen Problemen abgelenkt wird. Im Grunde kann man das aber nur mit einer gleichgültigen, emotionslosen Gesellschaft durchführen. Deren eigenes Interesse an seichter Unterhaltung die Menschen in eine selbstverschuldete Unmündigkeit manövriert. Dschungelcamp und der Bachelor machen es möglich!