Ich vermisse die Schwüle von Laos. Die Hitze ist einem Temperaturgefälle von etwa minus 35 Grad gewichen. Ich friere trotz Winterjacke. Mein Immunsystem kann sich an die niedrige Gradzahl in Deutschland nach der heißen Sonne des fernen Ostens nicht gewöhnen. Anstelle der staubigen Straßen und des grünen Regenwalds und Buschwerks, das sich hinter den Ufern des graubraunen Mekong erhebt, fällt mein Blick nun auf zartgrüne Wiesen und das hoch aufragende, immergrüne Tannenband des Schwarzwalds. Die zierlichen und teils windschiefen Fachwerkhäuser schmiegen sich elegant in den Ortskern von Gengenbach, dem schönen Ort am Eingang des Kinzigtals. Mein Absätze klappern gleichmäßig über die grauen Kopfsteingassen, die zum mittelalterlichen Marktplatz in der Innenstadt führen. Geborgen und geschützt von den Resten der Stadtmauer verströmt dieser Ort eine wunderbare Ruhe.
Auf dem schönen Platz vor dem Rathaus, der gesellige Gemütlichkeit in den vielen umliegenden Straßencafes verspricht, malt die Sonne helle, bewegte Lichtkreise auf den Gehsteig. Vereinzelt zwitschern Vögel und schaffen mit ihren Sinfonien eine frühlingshafte Atmosphäre. Der Geruch nach deftigen Schwarzwälder Spezialitäten durchzieht die mittägliche Kühle. Gemächlich und ohne Hektik plätschert das kalte Wasser monoton in den Abgrund Marktbrunnen. Kleine Tropfen nässen den braunen Sandstein und verdunsten darauf sogleich in der warmen Sonne. Durch die Engelsgasse führt mich mein Spaziergang direkt in die Hölle(ngasse) und danach die Feuergasse hinauf, was mir aufgrund der Assoziation mit dem Fegefeuer auch irgendwie logisch erscheint. Diese überschaubare Kleinstadt ist wie geschaffen für einen mittäglichen Kaffee an einem der ersten Frühlingstage.
Mit der gleichen Behaglichkeit, die die Innenstadt von Gengenbach verströmt schlängelt sich der Wohlgeruch der frisch gebrannten Bohnen in meine Nase. Tief ziehe ich das wohl riechende Aroma aus der Tasse vor mir ein. Das Grauen des Instantskaffees, der mich in Asien auf Schritt und Tritt verfolgte, ist gebrochen und überwunden. Was für ein Glück, richtiger Kaffee. Mein Leben ist manchmal wirklich fast schwer zu ertragen, denke ich still. Ein beschaulicher, schmaler Pfad führt von der Altstadt des kleinen Städtchens durch die Weinberge hinauf zur Jakobuskapelle. Der Ausblick von dort ist atemberaubend. Das durchdringende Azurblau grenzt den Horizont scharf gegen die dunkelgrünen Tannenbäume ab und lässt das satte moosgrün der Nadeln in der warmen Mittagssonne leuchten. Zufrieden atme ich aus.
Die wunderbare Ruhe und Einsamkeit der Umgebung überträgt sich in einer wohltuenden Entspannung auf mein Gemüt. Durch die Weite der tannenbewachsenen Berge fühle ich mich unendlich klein. Ich bin der einzige Besucher der zierlichen Kirche. Die Einsamkeit dieser Szenerie habe ich komplett für mich. Eine unbedeutende Steintafel an neben der Tür zur winzigen Kapelle erregt mein Interesse. Ein Gefühl von erwünschter Isolation breitet sich in jeder Faser meines Körpers aus. Der Weg hinauf zu diesem kleinen Gotteshaus gehört zum Jakobsweg der bis nach Santiago de Compostela in Spanien führt. Unbewusst bin ich ein klitzekleines Stück davon nun schon in der Ortenau gegangen. Ohne es zu wissen.
ein echt schönes Örtchen
LikeLike
Auf jeden Fall. 🙂
LikeLike
Der Jakobsweg hat auch in Deutschland seinen Reiz, es müssen nicht immer die berühmten Wege wie in Spanien oder die Via Podiensis in Frankreich sein. Liebe Grüße und einen schönen Tag, Dario 🙂
LikeLike
Das stimmt. Ich war nur etwas überrascht, weil ich ihn eher mit Spanien in Verbindung bringe. 🙂 Das wünsche ich Dir auch, bald ist Wochenende.
LikeLike
Der Jakobsweg ist im Grunde ein Wegenetz durch ganz Europa, mit Santiago de Compostela als Ziel. Ich laufe seit 2015 in Etappen auf dem Jakobsweg und bin letztes Jahr bis Conques gekommen. Es ist eine besondere Erfahrung. Danke, ich wünsche dir auch ein schönes verlängertes Wochenende, LG, Dario 🙂
LikeLike