Die meisten Einwohner von Laos sind froh, wenn diese ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse gedeckt haben. Über Reisen und Urlaub denken die Einheimischen hier überhaupt nicht nach. Ich sitze in diesem Land und bin es langsam leid. Ständig wird man übers Ohr gehauen und ausgenommen. Zwar kostet grundsätzlich alles weniger Geld als zu Hause, die kleinen Mehrbeträge für Touristen gegenüber dem was die Laoten zahlen müssen summieren sich aber dennoch. Ich weiß, dass auch die Menschen hier von etwas leben müssen. Der Touristenstrom in Laos nimmt ständig ab. Und ich verstehe auch warum. Es ist kein gutes Gefühl ständig auf der Hut sein zu müssen, um nicht über den Tisch gezogen zu werden. Ein erholsamer Urlaub ist das nicht. Permanent begleitet mich ein ungutes Gefühl. Durch dieses allgegenwärtige Verhalten besuchen natürlich noch weniger Reisende dieses Land. Die Laoten nehmen dies vielleicht wahr, ändern allerdings nichts an ihrem Tun. Die meisten leben von Tag zu Tag. Als Urlauber zahle ich das 3,5 fache des Eintrittspreises den die Einheimischen zahlen. In manchen Restaurants darf man nur 1 Stunde bleiben, wenn man nur ein Getränk bestellt. Erst wenn man 3 Drinks ordert, kann man sich so lange aufhalten wie man will.
In der Nacht hatte es so heftig geregnet, wie es nur in einer vom Urwald umschlossenen Stadt stürmen kann. Gleichmässig und immer stärker werdend trommelten feine Tropfen auf das Vordach der Veranda meines Gästezimmers. Im Dunkeln in die Kissen meines Bettes gehüllt, hatte ich auf das monotone Lied des Regens gehört und mich von der Regensymphonie in einen leichten Schlaf wiegen lassen. Zumindest so lange bis ein plötzliches Donnergrollen mich immer wieder in den Wachzustand riss. Ich assoziiere die Lärmkulisse mit den vielen Nächten im Zeltlager in meiner Kindheit. Ein wunderbares und angenehmes Geräusch, da man dem Regen ja nicht direkt ausgesetzt ist. Vielmehr genießt man die Musik der vielen Tropfen wie eine Raupe im Coccon in dicke Decken eingehüllt. Mit der Musik eines Regenschauers verbinde ich ein geschütztes Wohlbefinden und Geborgenheit.
Nach dem Frühstück steige ich in den Bus nach Vang Vien. In dem Tuk Tuk, das alle Touristen zum Busbahnhof bringen soll, warte ich jetzt seit über 20 Minuten. Eigentlich sollte der Bus um 9 Uhr losfahren. Diese Zeit ist schon längst vorbei. Auch wenn man sich in anderen Ländern nicht über die Gepflogenheiten und das Zeitempfinden aufregen sollte, bin ich langsam genervt. Wir warten mal wieder auf Chinesen. Langsam und gemächlich steigen diese in unser Fahrzeug. Mein Koffer muss aufs Dach, weil noch mehr Fahrgäste zusteigen sollen. Beunruhigt gebe ich ihn in die Hände des Fahrers. Hoffentlich ist mein Gepäck nachher noch da. 7 Personen in einem zierlichen Tuk Tuk sind eigentlich viel zu viel. Unseren Fahrer stört es keinesfalls. Dann warten wir immer noch auf einen Fahrgast. Auch wenn dieser eigentlich keinen Platz mehr hat. Inzwischen haben wir schon eine Stunde Verspätung. Die Höhle in Vang Vien werde ich mir heute wohl nicht mehr anschauen können. Bis ich in der Stadt bin hat diese bereits geschlossen.
Dieses Land geht mir langsam auf den Keks. Ich habe einfach nicht genug Zeit, um ständig aufzupassen, finanziell nicht getäuscht und abgezogen zu werden. Ebenso bin ich für die unpünktlichen Abfahrtszeiten der Busse und Minivans zu ungeduldig. In zwei Tagen geht mein Flug nach Deutschland zurück. Laos ist, wie es ist. Die Uhren hier ticken anders und sind meinem westlichen Zeitempfinden völlig fremd. Bis auf die wunderschönen Kuang Si Wasserfälle ist hier nichts so außergewöhnlich, dass man dieses Land unbedingt besuchen musste. Die Preise sind teurer als in den Nachbarländern. Das ständige über den Tisch gezogen werden nervt. Ich würde eher in Vietnam oder Thailand noch einmal Urlaub machen. Kurz nach 10 Uhr wirft unser Fahrer den Motor an. Unser Wagen fährt zehn Meter und bleibt dann wieder stehen. Wir müssen ja schließlich noch tanken. Es ist natürlich völlig unlogisch, dies vorher während unserer Wartezeit zu erledigen. Vor allem wo wir ja erst 1,5 Stunden zu spät sind. Der Fahrer steigt aus und bezahlt. ‚Hast Du keinen Sicherheitsgurt?‘ fragt meine junge chinesische Sitznachbarin. ‚Doch.‘ ich deute auf das schwarze Band zum Anschnallen. Meine Beine sind sowieso unter dem Sitzplatz vor mir eingequetscht sind und sitzen fest. Ich fühle mich wie ein Huhn auf der Stange, Der Gurt bleibt wo er ist.
‚Das ist für Deine eigene Sicherheit.‘ rät mir die junge Frau. Ich wende den Kopf ab und blicke aus dem Fenster. Sei es drum. Mein Blick schweift über die Landschaft in der Umgebung. Schlaff hängen die Blätter der vertrockneten Bananenstauden herab. Sie trennen als stumme Zeitzeugen und leblose Wächter die Straße vom dunkelgrünen Band des Urwalds. Kaum gibt die Szenerie die Sicht auf das undurchdringliche Dickicht frei. Träge schleppt sich unser Kleinbus über die vielen Schlaglöcher der sandigen Straßen. Die holprige Schaukelei macht mich schläfrig. Mein Kopf sinkt auf die Brust und ich döse ein. Allerdings immer nur für wenige Minuten. Jedes Mal, wenn ich aufgrund der unebenen Straße von meinem Sitz abhebe, schlagen meine Zahnreihen dezent aufeinander. Gelegentlich hüpfe ich richtig hoch zur Decke und mein Kopf trifft mit einem dumpfen Klang auf das Dach des Wagens. Mein Magen verschiebt sich jeweils ein Stück Richtung Unterleib, um gleich darauf wieder an seine gewohnte Stelle zu rutschen. Dann streift der Saum der Kapuze meiner chinesischen Sitznachbarin meine Wange. Sie war von der unruhigen Fahrt im Schlaf zur Seite gekippt und ihr Kopf ruht nun auf meiner Schulter.
Wir sind im Hochland von Laos angekommen. Die Sonne malt zierliche Lichtkringel auf die spärlich bewachsenen Berge, die nur an deren unmittelbarer Spitze von Bäumen gekrönt sind. Die Straße ist inzwischen asphaltiert und die Löcher im Boden werden weniger. Unser Van kommt extrem langsam voran, der Fahrer hat die Ruhe weg. Ständig werden wir von anderen Fahrzeugen überholt. Sogar von einer Horde Kühe, in der sich unser Bus plötzlich befindet. Die Tiere grasen am Straßenrand. Ich erhasche nur einen kurzen Blick auf den Kuhhirten, der uns neugierig nachblickt. Am Busbahnhof in Vang Vien versucht man den Touristen mal wieder das Geld aus der Tasche zu ziehen. 40.000 Kip (etwa 4 Euro) für eine Fahrt von zwei Km. Das ist teurer als in Deutschland. Ich lehne ab und setze mich auf eine alleinstehende Bank. Der Fahrer des nächsten Tuk Tuk schlägt mir einen besseren Preis vor. Jetzt muss ich nur noch 15.000 Kip zahlen. Mir ist schon klar, dass die Menschen auch irgendwie leben müssen. Dennoch sehne ich die letzten Tage in diesem Land herbei. Ich fühle mich einfach nicht willkommen.