Unruhig rutsche ich auf dem unbequemen Holzsitz hin und her. Nachdem ich gestern schon 7 Stunden auf den harten Plätzen des Bootes verbracht hatte, bin ich unfähig eine bequeme Sitzposition zu finden. Immer wieder halten wir auf dem Weg nach Luang Prabang an laotischen Dörfern entlang des Mekong an. Eier, Reis und Fische werden an der Anlegestelle kurz ausgeladen bevor wir weiter Fahrt aufnehmen. Eine Gruppe Engländer im hinteren Bereich unseres Kahns hat schon am frühen Morgen begonnen zu trinken. Sie wippen auf ihren Sitzen, die Hände fest um die Flaschen geschlossen und versprühen das laotische Bier in der Luft sowie über das gesamte Deck. Derzeit grölen sie gemeinsam lautstark ‚Pretty Woman.‘ Einen kleinen Radio zum Musik hören haben sie sich mitgebracht. Das ganze Schiff stinkt nach Lao Beer. Ich rümpfe die Nase und wende meinen Blick nach vorn zu unserem Kapitän. Der Sitz unseres Steuermanns besteht aus einem Hocker auf den ein alter Autositz geschnallt ist. Unwillkürlich lächle ich verhalten. Träge zieht unser Boot auf den Wellen entlang. Am Ufer grasen Büffel und waten gemächlich durch das Wasser entlang der Küstenlinie.
Die umgebende Szenerie ändert sich langsam. Die Laubbäume, die trist und blätterlos die Böschung hinauf ragen muten europäisch an. Kleine bunte Boote aus Holz liegen direkt an den Felsplateaus des Ufers an. Es ist kühl, aber nicht so windig wie gestern. Die Holzhäuser oberhalb des Flusses sind von den aussteigenden Fahrgästen nur über den blanken Fels zu erreichen. Der Aufstieg sieht anstrengend und beschwerlich aus. Für die besoffenen Engländer wäre das völlig unmöglich. Frauen der Dörfer tragen Waren auf ihrem Rücken, indem sie das Band eines zusammengebundenen Tuches quer vor ihre Stirn geschoben haben. Dorfkinder halten mir geflochtene Armbänder zum Kauf hin. Am Ufer waschen Frauen Kleidung in den grünbraunen Fluten des Mekong. Das Boot ist nicht so voll wie bei der gestrigen Fahrt. Die Felsformationen im Wasser sind so gleichmäßig angeordnet, als hätte ein Architekt mit Sinn für natürliche Ästhetik diese gekonnt im Fluss plaziert. Schroff ragen diese aus dem schlammigen Mekong, die spitzen Steinhälse zum bewölkten Himmel erhoben. Ich rutsche weiter zum Bootsgeländer und blicke auf die träge fließenden, schmutzigbraunen Wellen. Einzelne Sonnenstrahlen benetzen mein Gesicht und hinterlassen einen warmen Strahlenfilm. Hektisch fährt eine kühle Brise durch mein Haar und reißt einzelne Strähnen mit einem kalten Windhauch in die Luft über meinen Kopf.
Am Bug des Bootes bricht sich weiß die Gischtkrone auf der braunen Brühe des Mekong und sprüht einen filigranen hellen Nebel über den Fluss. Ich recke meine Gesicht in die Wärme der Sonne und hoffe, dass die Temperaturen dieses Tages noch etwas steigen werden. Mein Sitznachbar Johannes sieht dass ich friere und reicht mir eine Jacke. Er lebt in München und ist gelernter Maschinenbautechniker. In seiner Firma arbeitet er als Gruppenleiter in der Produktion. Er ist schon fast ein Jahr innerhalb eines Sabbatical am Reisen. Mitte Juni diesen Jahres muss er wieder arbeiten. Seinen Job sieht er nicht als Beruf, sondern als Berufung. Er liebt was er tut. Es ist angenehm jemanden mit dieser Einstellung zu treffen und sich mit ihm zu unterhalten. Die Begegnung mit Aussteigern zieht sich wie ein roter Faden durch die Tage dieser Reise. Für mich wäre das nichts. Ich bin gern in meinen vier Wänden und mag ganz besonders das Ankommen nach einer Reise. Die Tür zu meinem zu Hause zu schließen und mit mir allein zu sein ist ein wunderbares Gefühl. Ich komme zurück und gleichzeitig bei mir selbst an.
Da ich in Luang Prabang bisher keine Unterkunft gebucht habe, folge ich Johannes in sein Hostel. Leider gibt es hier lediglich Mehrbettzimmer. Ich beziehe mit 5 anderen Jungs einen zierlichen Raum. Das ist sowohl mir als auch dem Mitreisenden aus München zu viel. Wir beschließen uns nach einem Einzelzimmer umzuschauen. Abends ziehen wir durch die Straßen und lassen uns in den Guesthäusern die Zimmer zeigen. Die meisten sind völlig dreckig und unwohnlich. Unglücklicherweise hält die Stadt dem Touristenansturm an den Tagen, an denen Boote ankommen kaum Stand. Je 70 Touristen steigen von Schiffen, die den Mekong herauf oder herunterfahren. Zusätzlich spucken auch Busse aus ganz Laos jeden Tag neue Touristenströme in die überschaubare Stadt. Schließlich finden wir eine annehmbare Pension, die am nächsten Tag einen Raum verfügbar hat. Blöderweise nur einen. Wir beschließen uns die Kammer zu teilen. Auch in Luang Prabang gibt es wenig Unterhaltung. In den kolonialen Gassen lässt sich wunderbar flanieren. Restaurants reihen sich hier an Kaffees und kleine Geschäfte mit Lebensmitteln und Souvenirs. Das Utopia ist die einzige Bar hier und hat bis 23:30 Uhr geöffnet. Dann nimmt jeder ein Tuk Tuk oder ein Taxi zu einer Bowlingbar am Stadtrand.
Auf dem hölzernen Balkon, der direkt zum Mekong ausgerichtet ist liegen etliche Auflagen. Man kann sich völlig bequem ausstrecken und auf dem gemächlich dahinziehenden Fluss schauen. Kleine Tische bieten Platz für die Gläser und Getränke. Johannes ist Bayern München Fan. Seine Mannschaft spielt heute eigentlich gegen Barcelona. Ungeduldig schüttelt er sein Handy. Die Internetverbindung ist denkbar schlecht. Das Utopia hatte uns eine niederländische Bekannte im Hostel empfohlen, die Johannes auf seiner Reise kennengelernt hat. Der junge Mann aus Bayern nippt an seinem Bier. Jetzt fehlt nur noch der Zwischenstand zum Fussballspiel. ‚Nicht so schlimm.‘ sagt Johannes. ‚War ja irgendwie klar, dass hier nirgendwo das Bayernspiel im Fernsehen läuft.‘ Wir schieben uns zur Theke um noch etwas zu bestellen. Unser Blick fällt auf den Flatscreen im Innenraum. Überraschung zeigt sich in Johannes Blick als er die roten Trikots wahrnimmt. Das Spiel von Bayern läuft im Fernseher. So hat Laos an diesem Abend einen jungen Münchner glücklich gemacht.