Im Chat mit einem Mönch

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‚Monk Chat‘ steht gut lesbar auf der gespannten Plastikplane in einem buddhistischen Heiligtum in Chiang Mai. ‚Trau Dich und unterhalte Dich mit den Mönchen.‘ lese ich. Einen Moment stehe ich unschlüssig da und trete von einem Fuß auf den anderen. Bin ich der richtige Ansprechpartner für buddhistische Mönche? Ich ziehe das Tuch um meine Brust fester zusammen. Die Tempel in Thailand darf man nur mit bedeckten Schultern betreten. Entschlossen gehe ich in den kleinen Innenhof neben dem Wat Chedi Luang und setze mich vor einem Mönch auf eine der kleinen Holzbänke. Friedlich ist es hier. Sanft rauscht der Wind durch die Blätter des zierlichen Baumes am Eingang. Die sanfte Brise streicht zärtlich durch mein offenes Haar und vertreibt jegliche Nervosität. Schließlich soll man Mönche mit Ehrfurcht und Respekt behandeln. Als Frau darf ich sie auch nicht berühren oder ihnen direkt etwas reichen. Daher sitze ich nun auch etwas steif und verkrampft auf der kleinen Bank und halte mein Tüchlein fest um meinen Oberkörper geschlossen.

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‚Hallo.‘ lächelt der junge Mann mich an. Ich erwidere auf respektvolle Art seine Begrüßung. Er stellt sich vor, aber sein Name ist für mich unaussprechlich. Ich kann mir diesen leider überhaupt nicht merken. Die Mönche verbessern an diesem Ort durch Gespräche mit Menschen aus aller Welt ihr Englisch. ‚Ich bin Lisa.‘ sage ich zögerlich. Zur Verdeutlichung lege ich meine rechte Handfläche auf die Brust. Ich entspanne mich etwas, meine Neugier siegt über mein anfängliches Unbehagen. ‚Wie sieht Dein Tag aus?‘ will ich von meinem Gegenüber wissen. Freundlich blickt er mich aus dunkelbraunen, fast schon schwarzen Augen an. ‚Ich stehe um 4 Uhr auf um für 2 Stunden zu meditieren. Danach gehe ich ins Dorf, um von den Einwohnern eine Essensspende zu erbeten. Ich bin Vegetarier. Als Mönch muss ich aber das annehmen was die Leute mir an Lebensmitteln spenden, auch Fleisch. Im Dorf kennt man mich jedoch inzwischen. Ich habe einen Bauern, der mir immer etwas fleischloses zu essen bringt. Wir Mönche essen nur einmal am Tag, morgens. Die meiste Zeit lebe ich in einem Tempel im Wald. Er liegt etwa 40 Km von hier. Um dort meditieren zu können musste ich versprechen jeden Tag zum Studium wieder in diesen Tempel in der Stadt zu kommen. Daher bin ich nun hier. Abends habe ich selbst Novizen, die ich unterrichte. Nach dem Unterricht meditiere ich im Sitzen und im Gehen, dann lege ich mich ins Bett.‘

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Interessiert lausche ich seinen Ausführungen und frage ihn dann ‚War für Dich schon immer klar, dass Du Mönch wirst?‘ Die Augen des jungen Mannes strahlen vor Begeisterung. ‚Es war meine Entscheidung seit ich 7 Jahre alt bin. Es gibt aber eine Regel: Um Mönch zu werden braucht man das Einverständnis der eigenen Familie. Meine Großmutter wollte ein solches Leben für mich nicht. Ich würde niemals eine eigene Familie haben und sie hatte Angst im Alter allein zu sein. Jeden Tag habe ich sie um ihre Erlaubnis gebeten. Als ich 20 Jahre alt wurde schlossen wir eine Vereinbarung. Ich sagte zu ihr, lass mich 3 Jahre Mönch sein und ich komme zu dir zurück und gebe meine Idee auf. Da ließ sie mich gehen. Ich wählte für den Beginn meines Studium einen Tempel, der weiter von meinem Heimatdorf entfernt lag. Dieses liegt an der Grenze zu Malaysia. Ich wollte nicht durch die Liebe und Nähe zu meiner Familie von meinem Vorhaben abgelenkt werden. Vom Großmeister dieses Tempels wurde ich 3 Monate ins Studium eingeführt. Der Mann ist schon 92. Als Mönch habe ich über 270 Regeln zu befolgen. Wenn ich diese breche, kann ich in kein Kloster im ganzen Land zurückkehren. Ich habe mehrere Meister, die mich unterrichten. Aber es gibt im Tempel nur einen Großmeister.‘

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Mit großen Augen höre ich ihm zu. Mein Oberkörper ist leicht nach vorn geneigt um keines seiner Worte zu verpassen. Die innere Balance und Harmonie, die der junge Mann ausstrahlt saugt mich völlig ein und hält mich im Bann seiner Erzählung. Meine Fußsohlen presse ich in die grünen Flip Flops und fest auf den Boden. Es ist unhöflich, die Füße auf den Kopf einer Person zu richten. In buddhistischen Ländern gelten diese als unrein. ‚Warst Du nach 3 Jahren wieder bei Deiner Großmutter?‘ will ich gespannt wissen. Er nickt. Ein Lächeln erhellt sein Gesicht. ‚Ja. Und sie hat meine Entscheidung verstanden. Sie wollte mich sogar in meiner Wahl unterstützen. Ich sagte zu ihr, bitte tue das nicht. Als Mönch mache ich die besten Fortschritte, wenn ich völlig frei von Emotionen bin. Ich habe beim Meditieren natürlich auch manchmal Gefühle wie Wut. Es ist wichtig diese dann nicht zu unterdrücken, aber auch nicht darauf einzugehen. Sondern diese zwar zu beachten, aber dann loszulassen.‘ Ich nicke wissend. Seit 2,5 Jahren meditiere ich fast jeden Morgen vor dem Frühstück. Ich weiß, wie schwer es ist auf seine Emotionen nicht einzugehen und die Gedanken daran auszuschalten.

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Dass ich ebenfalls meditiere, freut den jungen Mann. Er will mehr über mein Weltbild wissen. ‚Ich glaube alles was wir tun setzt eine Ursache in Gang, die zu einer Wirkung führt.‘ erkläre ich ihm. ‚Bei mir wie auch bei allen anderen Menschen. Die Wirkung bekommen wir früher oder später zu spüren. Allerdings ist das ganze System viel zu komplex, als dass wir es überblicken könnten. Alles strebt nach einer Balance und einem Ausgleich. Entweder in diesem oder im nächsten Leben.‘ informiere ich den Mönch über meine Sicht der Dinge. Zu uns setzen sich 3 weitere junge Männer, in der typischen orangen Kleidung des Tempels. So umringt von Mönchen spüre ich schon die anfängliche Nervosität wieder aufkeimen. Ich versuche gelassen in die Runde zu blicken und taste nochmal nach meinem Tuch, das zum Glück noch komplett um meine Schultern liegt. Der Mönch ergänzt meinen Beitrag. ‚Wir können nicht beurteilen, ob  jemand gut oder schlecht ist. Wir sehen nur die Handlungen einer Person. Der einzige Mensch, den wir imstande sind besser zu machen, sind wir einzig selbst.‘

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Ich nicke nachdenklich. ‚Ja. Wir haben in erster Linie eine Verpflichtung uns selbst gegenüber. Das sehe ich auch so. Und ich glaube niemand kommt wirklich böse auf die Welt.‘ Begeistert nickt der Mönch. Wir haben einige Parallelen in unserem Denken, obwohl ich gar kein Buddhist bin. Aber dies ist sicher die Religion, die meiner Einstellung am nächsten kommt. Schon fährt der junge Mann fort. ‚Es gibt drei Arten von Menschen.‘ sein Englisch ist wirklich gut. ‚Boiled Egg (gekochtes Ei), Carrot (Karotte) und Kaffee. Ein Mensch, der wie ein gekochtes Ei ist, wird durch alle Erlebnisse, die ihm leid verursachen immer härter. Er gibt das erlebte Negative an andere weiter, damit diese genauso leiden wie er. Der Karottentyp wird durch leidvolle Erfahrungen immer weicher. So wie eine gekochte Karotte. Er verliert jegliche Lust am Leben und seinen Lebensmut. Der Mensch, der wie Kaffee ist, saugt das Leid auf. Er betrachtet es, lernt daraus und lehrt andere Menschen mit dem Leid umzugehen. Welcher Mensch möchtest Du sein?‘ Die Antwort auf seine Frage fällt mir leicht. ‚Kaffee.‘ sage ich bestimmt und mit Nachdruck. Ich verstehe, was er mir verdeutlichen will und schenke ihm ein wissendes Lächeln. Er erwidert es.

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Ermutigt teile ich mich weiter mit. ‚Ich versuche auch oft Menschen in meine Meditation einzubeziehen, die mir Leid zugefügt haben, um die negativen Erlebnisse loslassen zu können. Und ihnen mit Zuneigung und Sympathie zu begegnen und diese Emotionen an die Menschen weiterzugeben.‘ Für einen Moment erhasche ich einen Blick auf die spirituelle Weisheit, die in seinen Gesichtszügen liegt. Er hebt wie ein Lehrer die Hände. ‚Barmherzigkeit und Freundlichkeit sind viel wichtiger als Liebe und Zuneigung. Liebe führt immer zu Leid. Du kannst niemanden zwingen Dich immer zu lieben. Oder selbst wenn der andere dies tut, wird sein Körper zerfallen und sterben. Der Tod beendet die Liebe und dies führt wieder zu Leid. Daher sind Barmherzigkeit und Freundlichkeit bessere Gefühle. Sie verursachen kein Leid.‘ So hatte ich das noch gar nicht gesehen. Liebe ist in unserem westlichen Alltag eine Selbstverständlichkeit. Ich hatte dies immer als Emotion gesehen, was zu meinem Alltag gehört. Ich glaube auch nicht, dass der Mönch eine Welt ohne Liebe will. Sicher liebt er seine Großmutter auch. Aber vielleicht sind dies genau die zwei Gefühle in denen unsere Welt einen großen Nachholbedarf hat. Weil sie auf ihre Weise nicht so heftig hervortreten wie Liebe und Wut. Und weil sie diese starken Gefühle mässigen und in die richtige Bahn lenken können. Zum Abschied werfe ich ein Geldgeschenk in die Spendenbox des Tempels. Einer der Mönche drückt mir ein kleines Heft in die Hand ‚Fragen und Antworten zum Buddhismus‘. Dankbar nicke ich ihm zu. Ich hätte nie gedacht, dass so viel Buddhist in mir steckt.

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