Weihnachtliches Straßburg

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Wie ein aromatischer Dunstteppich zieht der Duft nach gebrannten Mandeln, saftigen Lebkuchen und gerösteten Maronen durch die zierlichen Gässchen zwischen den Buden. Unregelmäßig unterbricht der Geruch von brennenden Kerzen das würzige Aroma. Ein weihnachtliches Parfum weht durch Straßburgs schmale Straßen. Eine Brise der Vorfreude, die mich glücklich einatmen lässt. Ich sehe die Spiegelung der vielen leuchtenden Lichter in den Augen meiner Familie. Die Vorfreude auf die Besinnlichkeit der Festtage zaubert ein Lächeln auf unser Gesicht. Still genießen wir die feinen Duftnuancen in völliger Zufriedenheit. Dazu bedarf es keiner Worte. Warum ist das so? Welche Bedeutung haben Gerüche für unsere Gefühle und unser Wohlbefinden? Die Behaglichkeit und Neugierde aus Kindertagen schlüpft mit dem frischen Hauch der grünen Tannenzweige in mein Bewusstsein. Wehrlos bin ich meinen Erinnerungen ergeben. Stundenlang saß ich als kleines Mädchen vor unserer Katze, um diese in der Christnacht sprechen zu hören. Am heiligen Abend wäre das für alle Tiere möglich, das hatte mir vorab meine Mutter zugesichert. Und natürlich habe ich unseren Kater an diesem Abend auch gehört. Wir hatten eine wirklich gute Unterhaltung. Das habe ich meinen Eltern als Kind am nächsten Morgen versichert.

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Auf dem Place Gutenberg stehen kleine Holzstände des diesjährigen Gastlandes Island. Dicke Wollpullis liegen neben schwarzer Lakritz in den Auslagen der schmalen Hütten. In Island feiern die Familien das Weihnachtsfest 13 Tage lang. In der dunkelsten Zeit des Jahres ist die Zusammenkunft an den Festtagen vor allem ein Lichterfest. Die Sonne lässt sich in Island ab November bereits am Mittag schon nicht mehr sehen. Daher schmücken die Isländer ihre Häuser sowohl innen als auch außen mit glänzenden Weihnachtslichtern, um ein Leuchten bis in die düsterste Finsternis der Insel zu bringen. Am Morgen des 24. Dezember wird der Toten gedacht und die Gräber mit Kerzen oder elektrisch beleuchteten Kreuzen ausgestattet. Weihnachtstannen wachsen auf Island kaum, sind aber bei der Bevölkerung überaus beliebt und werden vom Festland importiert oder im eigenen Garten gepflanzt.

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In Island gibt es insgesamt 13 Weihnachtsmänner. Die ‚Jólasveinar‘ sind die Söhne der gemeinen Trollfrau Grýla und deren Ehemann. Alle leben zusammen in einer Höhle im Schnee und Eis der isländischen Berge. Die Trollmutter ist meistens zu faul zum Aufstehen, es sei denn ihr Hunger wird unerträglich. Sie entfacht dann ein brodelndes Feuer. Immer wenn Grýla kocht, bricht daher in Island der Vulkan aus. Die Söhne scheucht sie dann ins Tal um ihr einen Menschen oder noch lieber ein zartes Kind zum Essen bringen. Die Trollsippe fängt unartige Menschenkinder und bringt diese ihrer Mama zum Essen. Schließlich testeten die Trollkinder aus Neugierde die menschlichen Speisen. Diese schmeckten viel besser als Menschenbraten. Also stahlen die Trolle ab diesem Zeitpunkt Lebensmittel aus den Speisekammern der Anwohner. Da die 13 Weihnachtsgesellen eigentlich recht umgänglich sind, wenn auch ein bisschen ungehobelt und tapsig, bekamen sie mit der Zeit ein schlechtes Gewissen. Schließlich beraubten sie die Menschen kontinuierlich heimlich. Als Entschuldigung entschieden die Söhne ihnen etwas Hübsches in den Garten oder auf den Hof zu legen. Da Trolle eine Vorliebe für riesige Felsen haben schenken sie den Leuten also ganz besonders schöne, große Steine. Unglücklicherweise freuten sich die Beschenkten überhaupt nicht darüber.

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Bei den Trollsöhnen fand daher gezwungermaßen ein Umdenken statt. Wenn brave Kinder in Island ihre Stiefel heute aufs Fensterbänke stellen oder ihre Socken an die Haustür hängen, finden diese ein kleines Geschenk der 13 Weihnachtsmänner darin. Garstige Kinder erhalten nur verfaultes Gemüse wie Kartoffeln oder Karotten. Immerhin werden sie nicht wie in Deutschland von Knecht Ruprecht in Säcke gesteckt und verschleppt. Sie erhalten einfach keine Präsente. Die ‚Jólasveinar‘ sind bei den kleinen Isländern sehr beliebt und werden in der Weihnachtszeit immer sehnsüchtig erwartet. Wegen der Geschenke, die sie den Kindern in die Schuhe und in die Socken stecken, gelten sie inzwischen im ganzen Land als Weihnachtsmänner. Kaum einer denkt noch daran, dass sie eigentlich Trolle sind. Die Weihnachtskerle kommen einzeln ab dem 12. Dezember von den Bergen herunter und jeder verteilt an einem anderen Tag Geschenke. 13 Tage lang werden also kleine Gaben durch die Riesennikoläuse verteilt. Ab dem 26. Dezember bis zum 06. Januar kehren die ‚Jólasveinar‘ wieder einzeln zurück in ihre Höhle in den Bergen.

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Ein Regentropfen fällt auf meine Wange. Kühl rinnt er über meine Haut und erliegt bald darauf der eisigen Kälte. Schmerzhaft brennt sich der kleine Eiskristall auf meine Wange. Dann reißt der gesamte Himmel auf. Wassermassen stürzen auf die Besucher des Weihnachtsmarkts nieder. Die besinnlichen Wohlgerüche vertreibt der über das Kopfsteinpflaster peitschende Regenguss. Entsetzt drängeln die Menschen unter die zierlichen Vordächer der Weihnachtsbuden. Windböen ziehen hektisch an meinen Haaren und die feuchten Strähnen fliegen um mein Gesicht. Nass kleben die Haarbüschel an meinen Wange fest. Mit ihnen laufen feine Wassersprenkel in meinen Kragen und suchen sich ihren Weg hinab bis zum Bund meiner Jeans. Unerbittlich zerrt die Feuchtigkeit die Kälte der Umgebung in meine Kleidung. Ich schlinge beide Hände um mich  und reibe meine Oberarme um einen Hauch von Wärme in meinen Körper zu drängen. Erfolglos. Die Kälte lässt sich nicht vertreiben. Mit den isländischen  Gästen und ihren landestypischen Produkten hat auch das isländische Wetter Einzug gehalten. Meine Schuhe stehen bis zum Knöchel in Pfützen. Das feuchte Wasser sickert in meine Zehen. Entschlossen und zitternd wende ich mich zum Gehen. Das war ein kurzer Weihnachtsmarktbesuch.

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Ein Gedanke zu “Weihnachtliches Straßburg

  1. Hallo Lisa,

    Das war ein schöner Abend. Einen Bericht auf Deiner Seite habe ich schon gelesen:-) Dein Stil gefällt mir. Du schreibst so lebendig und bildlich, es nimmt einen irgendwie mit, gut!
    Liebe Grüße
    Markus

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