Kölns Schokoladenseite

Fotos und Videos mit freundlicher Unterstützung von http://www.mallygrafie.de/

Beim Anblick der Menschenschlange vor dem Eingang des Museums atme ich enttäuscht und weithin hörbar aus. Ich blickte auf ein Meer von bunten Mützen, Wintermänteln und gelangweilt zur Seite gelegten Köpfen. Ungeduldig wippe ich mit den Schuhsohlen auf dem grauen Asphalt. Die Herbstsonne schickt warme Strahlen auf mein Gesicht. Ein wohliges, angenehmes Gefühl breitet sich auf meinen Backen aus. Abwesend lächle ich vor mich hin. Mich erwartet der Duft von Schokolade. In meiner Phantasie kann ich das verführerische Aroma schon riechen. Eine unüberschaubare Personenmenge schlängelt sich wie ein menschliches Reptil aus vielen Köpfen zum Kassenschalter des Kölner Schokolademuseums. Aus 5 verschiedenen Arten der Kakaobohne wird heute Schokolade hergestellt. Ursprünglich stammt der Kakaobaum aus der untersten lichtgeschützten Pflanzenetage des Regenwalds. Junge Pflanzen müssen daher vor direkter Sonneneinstrahlung die ersten 5 Monate geschützt werden. Erst nach diesem Zeitraum kann man sie auf den Feldern aussetzen. Dem Museum ist ein Tropenhaus angegliedert, in dem man sich die Kakaofrucht einmal aus der Nähe ansehen kann.

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In Deutschland wurden im letzten Jahr über 1.100.000 Tonnen Schokolade gegessen. Insgesamt wurde Schokolade für etwa 5,2 Millionen Euro hergestellt. Durch meine vielen Allergien war ich daran leider nicht beteiligt. Deutschland gehört zu den größten Produzenten und auch Konsumenten des Kakaoprodukts in der Welt. Der Markt wird von einigen wenigen Unternehmen dokumentiert wie Mars oder Nestle. Daneben gibt es einige mittelständisch Anbieter wie Lindt&Sprüngli oder Ritter Sport. Die Vielfalt der angeboteten Produkte ist kaum noch zu überblicken. Selbst Discounter wie Lidl stellen jährlich in einer eigenen Schokoladenfabrik etwa 280 Millionen Tafeln her. In Zukunft wird sich der Trend zu exotischeren Schokoladen mit ausgefallenen Zutaten daher sicher fortsetzen. Kakao und Zucker sind der wichtigste Bestandteil von Schokolade. Je nach Art wird auch Milch- oder Sahnepulver und Vanille zugesetzt.

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Schokolade galt schon für Alexander von Humboldt als der beste Reiseproviant. Die Kakaobohne ist nahrreich und wiegt kaum etwas. Zu Zeiten des berühmten Humanisten wurden bereits 11.500 Tonnen Kakao nach Europa exportiert. Das war für die damalige Zeit sehr beachtlich. Der Siegeszug der Kakaobohne begann schon früh. Weltweit gibt es heute 5 bis 6 Millionen Kakaobauern. Abhängig vom Kakaoanbau sind bis zu 50 Millionen Menschen. Oftmals sind diese unterbezahlte Arbeiter, die unter schlechten Bedingungen die Kakaopflanzen abernten. Um möglichst guten Lohn zu erhalten, arbeiten nicht nur Väter und Mütter auf den Feldern, sondern auch deren Kinder. Die Kakaobauern gehören mit ihren Familien zur armen Bevölkerungschicht. Sie wohnen in einfachen Behausungen und haben weder Strom noch fließendes Wasser. Nach der beschwerlichen Ernte per Hand werden die Kakaofrüchte von den Bauern zu Sammelpunkten gebracht. Von dort übernehmen Händler oder Handelsunternehmen die Ware. Per Containerschiff kommt der Kakao dann nach Europa. Die Überfahrt von Westafrika nach Hamburg dauert etwa 14 Tage. Die Hansestadt ist der mit Abstand größte deutsche Umschlagsplatz für Kakao. Bis zu 2/3 des deutschen Kakaoimports werden hier gelagert, zwischenverladen und zu den Unternehmen gebracht, die das Produkt verarbeiten.

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Der Kakaopreis hat sich seit 1980 etwa halbiert. Bei den Bauern in Afrika führt dies zu deutlichen Einkommensverlusten. Die Menschen dort verdienen am Kakao sehr wenig und die Ernte ist körperlich sehr anstregend. Daher ist der Kauf von Fair-Trade-Schokolade so wichtig, selbst wenn man sich dies nur gelegentlich gönnt. Die Existenz der Kakaobauern und ihrer Familien wird dadurch gesichert und erleichtert. Mit dem Kauf einer Lidl Schokolade zum Preis von 40 cent ist eine gerechte Behandlung der Bauern nicht möglich. Der Preis für Kakao entsteht an den Warenterminbörsen in London und New York. Diese liefern allerdings nur einen Durchschnittspreis aller getätigten Verkäufe. Der tatsächliche Verkaufspreis liegt oft deutlich unter dem Durchschnittswert. Die Einschätzung des zukünftigen Kakaopreises basiert auf der politischen Entwicklung im Herkunftsland ebenso wie auf klimatische Begebenheiten. Die Bauern in Afrika erhalten etwa 50% des Werts der von den Börsen vorgegeben wird. Sie suchen daher nach Einkommensalternaiven. Dadurch dürfte es in Zukunft zu einem Rückgang der Kakaoproduktion kommen und einem Anstieg des Kakaopreises.

Der Duft von flüssigem Kakao liegt wie ein zarter süßer Teppich über den Gängen des Museums. Ich nähere mich der modernen Produktionsstraße von Lindt, die Teil der Ausstellung ist und die aktuelle Schokoladenproduktion veranschaulicht. Schokolade hat viele positive Wirkungen auf den Körper und wirkt sich aktiv auf unser Wohlbefinden aus. Die Inhaltsstoffe Theobromin und Koffein haben eine anregende und euphorisierende Wirkung. Pholyphenole haben eine gesunde Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System, senken den Blutdruck und wirken entzündungshemmend. Durch den Abbau von Zucker wird im Körper Serotonin produziert. Dieser Übertragungsstoff im zentralen Nervensystem verursacht ein Gefühl der Ruhe und Ausgeglichenheit. Serotonin hilft bei Entspannungs- und Schlafproblemen oder depressiver Verstimmung. Beim Genuss von Schokolade werden im Körper Endorphine freigesetzt, die Energie und Euphorie vermitteln. Daher gab es im zweiten Weltkrieg ‚Fliegerschokolade‘ als Stärkungsmittel für die Piloten. Diese war leicht und nährreich und hielt mit Zusatz von Koffein zusätzlich wach. Allerdings durfte diese Form der Schokolade nicht gut schmecken, damit sie erst im absoluten Notfall verzehrt wurde.

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Im Gegensatz zu Kaffee und Tee, die bereits im 17. Jhd. Einzug in die bürgerliche Gesellschaft ggehalten hatten, begann der Siegeszug der Schokolade erst im 19. Jhd. Lange Zeit war Kakao nur dem Adel vorbehalten, weil der Preis für die Unter- und Mittelschicht der damaligen Gesellschaft einfach zu hoch war. Ab Mitte des 18. Jhds. wurde Schokolade in Kaffeestuben ausgeschenkt und hielt damit Einzug in die Haushalte des wohlhabenden Bürgertums. In den Schokladenstuben wurde nebenbei Karten gespielt, Zeitung gelesen und über Politik diskutiert. Die Schokolade wurde dort verfeinert mit Nelke, Kardamon oder Zimt serviert. Dunkelhäutige Diener in orientalischer Kleidung unterstrichen den exotischen Hauch des Getränks. In etlichen Häusern wurde auch Alkohol ausgeschenkt und reiche bürgerliche oder adlige Besucher zechten bis tief in die Nacht. In diesen Kaffees herrschten teils raue Sitten. Deshalb wollte man die Schokolade zunächst verbieten, was sich jedoch nicht durchsetze. Ein schlauer Mensch muss dann doch auf den Gedanken gekommen sein, der ungehobelte Umgang könnte am Alkoholkonsum gelegen haben und der Kakao würde zu unrecht verdächtigt. Dennoch galt das dunkelbraune Getränk zur damaligen Zeit als Aphrodisiakum. Ganz abwegig ist es also nicht, dass die männlichen Gemüter in potentem Übermut hochkochten.

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In der ersten Hälfte des 19. Jhds. wurde Schokolade nur von kleinen Handwerksbetrieben hergestellt. Deren Besitzer waren meist Konditoren oder Zuckerbäcker. Neben Schokolade wurden daher auch Marzipan, Nougat und Bonbons produziert. Mit der Zeit spezialisierten sich immer mehr Betriebe auf die Herstellung und den Verkauf von Kakaoprodukten. Ihr Wissen erwarben die Unternehmer durch zeitweise Mitarbeit in anderen in- und ausländischen Manufakturen. Trotzdem hielt die Schokolade der Konditoren oft nicht den Qualitätsansprüchen der Käufer stand. Ein Problem war auch das Fehlen geeigneter Produktionsmaschinen. Die meisten Hersteller konstruierten daher selbst passende Geräte. Die Entwicklung neuer Produktionsverfahren führten zu besserer Qualität und einem wachsenden Schokoladenabsatz. Aus den ursprünglichen kleinen Handwerksbetrieben wurden dadurch große Schokoladenfabriken.

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Direkt vor mir sprudelt feine Vollmilchschokolade von Lindt aus einem großen Schokoladenbrunnen. Die Fontäne überragt mich um ein Vielfaches und der cremige Duft der gleichmäßigen brauen Flüssigkeit durchweht die Gänge des gesamten Museums. Ein süßes, schokoladiges Bouquet kitzelt meine Nase und legt einen feines Kakaoaroma auf die gesamte Umgebung. Tief ziehe ich den Wohlgeruch ein, meine Lider senken sich leicht in der angenehm duftenden Brise. Mit einer kleinen Waffel ziehen die Lindt-Mitarbeiter durch die dunkle Schmelzschokolade, die so wohlriechend und köstlich vor uns liegt. Die Linie der Menschen davor ist endlos. Es gibt ja auch etwas umsonst. Die flüssige Vollmichschokolade. Dafür kann man schon mal ein Stündchen anstehen und warten. ‚Mögen Sie ihren Job?‘ frage ich den Angestellten neben mir, der dem nächsten in der unendlichen Menschenschlange eine kleine Waffel reicht. Ausdrucklos blickt der Mann mich an. ‚Ich kann keine Schokolade mehr sehen.‘ murmelt er gleichgültig. Und schon nimmt er das nächste Waffelstäbchen in die Hand.

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