Die Erde von Oben

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Ich presse mein Gesicht an die Scheibe des gläsernen Fahrstuhls. Kalt und eisig fühlt sich das Fenster unter meinen gespreizten Fingern an. Meine Nasenspitze drückt sich an der durchsichtigen Glasoberfläche platt. Beim Ausatmen lässt ein feiner Atemnebel die Fensterscheibe beschlagen. Ungeduldig wische ich über die feuchte Fläche. Neugierig reiße ich die Augen auf. Die Erdkugel unter mir wird immer kleiner. Je höher unser Aufzug steigt, umso winziger wird das Azurblau des Ozeans. Durchsichtige Wolkenfetzen huschen über die Erdoberseite. Diesen Ausblick auf unseren Planeten genießen eigentlich nur Astronauten. Die beleuchtete Kugel dreht sich langsam und gemächlich im Rhythmus von Tag und Nacht. Je nach Tages- und Jahreszeit ändern sich die Schatten und Lichtspiele auf der gesamten Weltkugel. Ich durchlebe ein gesamtes Jahr in nur wenigen Minuten. Hoch aufgelöste Satellitenbilder werden dazu detailgetreu auf die Erde projiziert. Alles läuft natürlich etwas schneller ab als in der Realität. Zum Glück. Sonst würde ich ein Jahr hier im Aufzug sitzen. Die Kugel hat einen Durchmesser von 20m und schwebt in 100m Höhe im Luftraum des Gasometer in Oberhausen. Ich besuche die Ausstellung ‚Wunder der Natur‘.

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Das komplette Museum widmet sich in übergroßen, bunten Fotografien dem Leben in der Natur. Mühsam klopft eine kleine Schildkröte von Innen an die Eierschale, die das winzige Tier umgibt. Der kleine Widerhaken an ihrem Schnabel, die ‚Einschwiele‘, hat die Eioberfläche etwas aufgeritzt. Sie bläst angestrengt ihren Bauchpanzer auf und sprengt die Schale, die sie umgibt. Mit den Vorderbeinen voran versucht das Schildkrötchen sich aus ihrem Brutplatz herauszuschieben. Die Geburt ist nicht nur für die Mutter anstrengend und die Eltern helfen dem Baby nicht. Nach der Eiablage vergräbt diese die Eier im Sand eines Strandes und begibt sich wieder ins Meer. Ihre bis zu 200 Kinder lässt sie zurück. Auf sich allein gestellt versuchen die neugeborenen Tierchen in die Freiheit zu gelangen. Dann beginnt der Wettlauf gegen die vielen Fressfeinde über den Sandstrand zum Meer. Nicht viele Schildkrötenkinder werden überleben. Aber alle werden aus natürlichem Instinkt ums Überleben kämpfen und so schnell laufen, wie diese können.

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Das freundliche Gesicht eines Schimpansen spiegelt seine herzliche emotionale Regung wieder. Das Lächeln steht sowohl beim Menschen als auch beim Affen für Friedfertigkeit und gute Laune. Auch Tiere haben Gefühle und ein Bewusstsein. Sie empfinden Schmerz und verziehen ängstlich ihr Gesicht. Sie beschweren sich laut, wenn sie Wut empfinden. Sie sind neidisch, wenn ein anderer etwas Interessantes mehr hat als sie. Schimpansen trauern um ihre Toten wie wir Menschen. Eine Affenmutter wiegt ihr verstorbenes Kind in den Armen und streichelt es zärtlich. Tiere weinen nicht wie wir. Aber sie können schmerzvolle Erlebnisse begreifen wie wir. Warum behandeln wir tierische Lebewesen dann oft wie Dinge? Wir Menschen sehen diese überweigend als Gebrauchsgegenstände. Aber Tiere bluten und leiden genauso wie wir. Am friedlichsten sind die Zwergschimpansen Bonobos. Sie leben in völligem Einklang miteinander. Revierkämpfe gibt es nicht. Hier haben die Frauen das Sagen. Es gibt keine großen Machtdemonstrationen. Wenn es Konflikte gibt, werden diese immer mit Sex beigelegt. ‚Make Love, not War.‘

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Wunderbar und auf überragende Weise einzigartig sind die besonderen Fähigkeiten und der Überlebenswille vieler Tiere. Die Fotos dieser Ausstellung zeigen die authentischen Momente des animalischen Alltags. In vieler Hinsicht ist diese instinktive Verhaltensweise der unseren weit überlegen. Das tierische Miteinander ist oft weitaus sozialer und rücksichtsvoller. Menschlich würden wir dazu sagen. Aber wie animalisch sind wir eigentlich? Behandeln wir unser Gegenüber doch meist ohne ehrliches Interesse und Toleranz. Konsumdenken und Egoismus überlagern unsere Empathie. Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an jeden gedacht. Kein Mensch wird so geboren. Aber wir erziehen unsere Kinder danach. Wir schaffen Egomanen ohne Sinn für Gemeinschaft. Wir sind ja schließlich an der Spitze der Nahrungskette. Das Recht des Stärkeren gilt und das finden wir gut. Die Welt um uns nehmen wir nicht wirklich wahr. Seltsam. Wir sind doch nur Teil eines Ganzen. Die Erde existiert auch ohne uns. Die Welt braucht uns eigentlich nicht. Der Mensch sieht sich selbst als die Krone der Schöpfung an. Und wieso?

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