Entspannt baumeln meine Beine von dem unbequemen Plastiksitz. Meine Blicke saugen die dunkelblaue Weite des Atlantiks auf, die am Horizont fast in völlige Schwärze übergeht. Das Blau meiner Augen spiegelt sich in den Wellen und reflektiert den strahlenden Himmel über uns. Das Schnellboot nach Uruguay fliegt über dem Wasser dahin und landet in regelmäßigen Abständen unsanft auf den Wellen. Mit jedem dieser Bauchplatscher hebe ich kurz von meinem Sitz ab, nur um sogleich wieder mit überschaubarer Wucht darauf zu landen. Neben unserem Boot taucht eine Gruppe Delphine auf und sogleich wieder unter. Mit ihren gleichmäßigen Sprüngen durchwühlen sie das umliegende Meer und sprenkeln mit Wassertropfen Muster auf die Holzwand unseres Schiffes. Die Fahrt nach Montevideo dauert nur 3 Stunden. Die Hauptstadt Uruguays trägt die Züge der Kolonialzeit und ist dennoch mondäne Großstadt. Das schöne an dieser Metropole ist ihre überschaubare Größe, die zu ausgiebigen Spaziergängen durch die Gassen der Altstadt einlädt.
Ich schlendere vorbei an den zahllosen Cafes und Restaurants, die sich an die kleinen Läden der Innenstadt reihen. Auf der Plaza Independencia steht ein Hochzeitspaar. Der Boden ist übersäht mit zertretenen Reiskörnern und die beiden erscheinen frisch verliebt. Das strahlende Lächeln der Braut spiegelt sich in den dunklen Augen des Bräutigams. Beim Verliebtsein spielen die Hormone verrückt. Bestimmte Vorgänge im Körper lassen unseren Partner im besten Licht erscheinen und wir begegnen ihm mit völliger Toleranz und Akzeptanz. Vielleicht ist es ja so einfach Liebe zu erhalten. Man müsste nur einen Weg finden sich in dieselbe Person immer wieder neu zu verlieben. Dann würde die Wirkung der Hormone konstant bleiben. Leider gibt es so etwas selten und erfordert ziemlich viel Arbeit an der Beziehung. Ich freue mich für die beiden und hoffe, dass die Verbindung hält. Montevideo ist laut Studien die Stadt mit der höchsten Lebensqualität in Südamerika. Die Voraussetzungen sind also gut. Ich fröstele und ziehe die Seiten meiner Jacke zueinander. Ich besuche Uruguay im Mai. In Südamerika ist jetzt Winter. Der Sommer hier spielt sich während der deutschen Wintermonate ab, also zwischen Dezember bis Anfang März. Während im Norden des Kontinents immer noch warme bis heiße Temperaturen vorherrschen, wird es im südlichen Teil am Nachmittag schon ungewohnt frisch und kühl. Es sind etwa 10 Grad. In Deutschland ist es derzeit um einiges wärmer.
Immerhin wird es im Winter meist nicht kälter als 10 Grad. Das Wetter ist recht mild. Die Sehenswürdigkeiten Montevideos sind recht überschaubar und nahe beieinander. Ich habe Zeit mich in einem Cafe niederzulassen und bei einem Espresso die Passanten zu beobachten. Die angenehm entschleunigte Art der Menschen entspannt mich. Niemand ist hier von Hektik getrieben. An der wunderbaren Atlantikküste Uruguays klingt mein Tag aus. In einem Restaurant in Piriapolis trinke ich ein gutes Glas südamerikanischen Weißwein. Die langen Sandstrände ziehen sich hinter der gesamten Küstenstraße entlang. Der dunkelgraue Sand ist feucht und klamm und riecht spürbar nach Kälte. Die Strände sind menschenleer und trist. Das Meer hat sich in seinem Winterschlaf in den Ozean zurück gezogen. Die Wellen geben den Blick auf den nebliggrauen Uferstreifen frei. Äste und Muscheln liegen einsam auf den kühlen Sandbänken. Diese ruhige Tristesse und wünschenswerte Isolation hat etwas erholsames. Uruguay hat eine riesige Küstenlinie bis hin zur brasilianischen und argentinischen Grenze. In den Sommermonaten bersten die schön geschlungenen Strandabschnitte mit dem feinen Puderzuckerstrand aus allen Nähten. Im Winter wird es in den Touristenorten angenehm still. Ein Problem hat Piriapolis allerdings. Die Küstenstraße gleicht im Sommer einer vierspurigen Autobahn. Wem es nichts ausmacht mehrmals täglich um sein Leben über die Schnellstraße zu sprinten, der findet hier das Paradies. Ich bin schon überzeugt.