4:30 Uhr, Skopje, Mazedonien

Um 21:00 Uhr war ich in dem Nachtbus von Tirana in Albanien nach Skopje in Mazedonien gestiegen. Um 6 Uhr sollten wir der Hauptstadt von Makedonien ankommen. Quälende Stunden fahren wir über unebene Landstraßen gespickt mit zahllosen Schlaglöchern. Bei jeder neuen Vertiefung der Straße hüpft mein gesamter Körper ein paar Zentimeter nach oben. Die restliche Zeit schwanke ich während der Fahrt von Rechts nach Links. Die Müdigkeit ist unerträglich. Schlaf finde ich trotzdem maximal mit einem Auge. Jede neue Ungleichmäßigkeit unserer Strecke reißt mich unbarmherzig in den Wachzustand zurück. Wir kommen früher an als geplant. Es ist fast 4:30 Uhr. Die Dunkelheit der Nacht umhüllt den Busbahnhof in nahezu kompletter Schwärze. Ich bräuchte eigentlich die Landeswährung Denar, sehe aber keinen Geldautomaten. Die Internetverbindung in Albanien war derart instabil, dass ich es nicht geschafft hatte ein Hostelzimmer zu reservieren. In der absoluten Düsternis möchte ich ungern durch das nächtliche Skopje laufen. Ich fühle mich nicht sicher. Kurzentschlossen klopfe ich an die Fensterscheibe des nächsten Taxis.

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‚Ich müsste zu diesem Hostel.‘ sage ich gähnend. Ich halte mir die Hand vor den Mund und deute dann auf die Adresse im Reiseführer. ‚Ich habe aber nur noch einen Euro und ein paar Cents.‘ füge ich vorsichtig hinzu. Der Taxifahrer grinst mich an. ‚Ist gut, ich nehme Dich mit.‘ Mit Schwung stößt er die Tür auf. Ich steige ein und ziehe die Autotür zu. Die Fahrt dauert nicht lange. Die von mir gewählte Unterkunft liegt in völliger Finsternis. Nicht ein winziger Lichtstrahl erhellt die dunklen Scheiben. Langsam ziehe ich meinen kleinen Koffer die Treppe hinauf. Im Inneren schrillt langgezogen die Türklingel. Niemand öffnet. Die Kälte der Nacht zieht durch meine dünne Jacke und legt einen Film aus Raureif auf meinen Kragen. Ich schlinge beide Arme um meinen Oberkörper und versuche mit den Händen Wärme in meine Glieder zu treiben. Mist. 0 Grad zeigt das Außenthermometer an der Wand. Ich sehe meinem Atem nach, der wie ein durchsichtiger, nebliger Hauch langsam in den Himmel schwebt. An der Haustür befindet sich ein Papierschild mit einer Handynummer. Schließlich rufe ich an. Ein Mann antwortet. Eine unverständliche Anreihung von mazedonischen Wörtern prasselt auf mich ein. Ich versuche meine Situation auf Englisch zu erklären.

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‚Ich stehe vor ihrem Hostel, ich möchte ein Zimmer.‘ als Resonanz erhalte ich erneut Kauderwelsch in der Landessprache. Schließlich legt mein Gesprächspartner auf. Das monotone Biepen des Freizeichens bleibt zurück. Was jetzt? Auf der Terrasse steht ein Gartenstuhl in der eiskalten Luft. Ich sehe mich um. Gegenüber scheint ein weiteres Hostel zu sein. Zögerlich schlendere ich über die Straße. Beim ersten Klingeln öffnet sich bereits die Tür. ‚Komm herein, Du hast Glück. Ich fahre gerade Gäste zum Flughafen. Sonst hätten wir Dich nicht gehört.‘ der junge Mann macht eine einladende Handbewegung. Erleichtert trete ich ein. In Skopje vermischt sich der Einschlag aus Griechenland und Albanien gleichermaßen. Die eher westlich orientierte Welt trifft die Östliche. Das Stadtzentrum ist typisch sowjetisch aufgebaut. Entlang des Flusses Vardar liegen die Prachtbauten der Regierung. Bis hin zum Theater und dem Museum für Archäologie. In der Altstadt esse ich zu Abend. Fantastische Grillgerichte bietet jedes der kleinen Restaurants in der Innenstadt. Im Hostel unterhalte ich mich mit dem jungen Mann, der mir heute Morgen geöffnet hat. ‚Ich würde gern mehr reisen, am liebsten durch Frankreich.‘ erzählt er mir mit begeistertem Blick. ‚Aber obwohl ich arbeite werde ich mir das nie leisten können. Um den Flug zu bezahlen müsste ich schon 3 Jahre sparen.‘ fügt er niedergeschlagen hinzu. Ein bisschen neidisch klingt er. Ich kann es ihm nicht verübeln.

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Im Wappen Mazedoniens findet sich eine strahlende Sonne. Meinungs- und Informationsfreiheit ist in dem kleinen Balkanstaat derzeit uneingeschränkt möglich. Etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt ein angemessenes Leben mit Deckung aller Grundbedürfnisse. 40% der Menschen sind arbeitslos und arm. Parallel ist die Korruption in Mazedonien sehr groß. Ein Urlaub in Europa ist für die meisten undenkbar, da viel zu teuer. Nachdenklich nippe ich an meinem Wasserglas. Ich fliege doch ständig für ein Wochenende in ein anderes Land. Über dieses Privileg denke ich noch nicht mal nach, würde dies kaum Urlaub nennen. Dann renne ich zum Waschbecken und spucke die soeben getrunkene Flüssigkeit wieder aus. Leitungswasser ist hier ungenießbar. Es ist durch Keime stark belastet. Ich trinke Tee.


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