Der Blick vom Niederwalddenkmal ist atemberaubend. Zarte Weinberge zieren in einem akkuraten Muster die Hügel der Landschaft und ziehen gleichmäßige saftiggrüne Schlieren in den braunen Lehmboden bis hinab ins Tal. Das leichte Laub der Rebstöcke wiegt sich im sanften Sommerwind und die frische Brise bringt eine angenehme Abkühlung hinauf zur 12,5m hohen Germania, die über dem Rheintal thront. In der Höhe raschelt der Wind durch die Blätter und wirbelt kühl über das Gras bis ein letzter vergehender Hauch erfrischend über mein Gesicht streicht. Die Bauzeit des Niederwalddenkmals betrug 6 Jahre. Dieses erinnert an das Ende des Deutsch-Französischen Krieges und die Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871. Die imposante Statue türmt sich in den Hängen über dem attraktiven Rüdesheim und dem mässig dahinströmenden Rhein. Schiffe ziehen mit Massen an Touristen gemächlich und ohne Eile auf den dunkelgrünen Wogen dahin.
Die Romantik des Flusses als Schauplatz der Märchen und Sagen ist allgegenwärtig. Mit der Seilbahn schwebe ich hinunter nach Assmannshausen. Immer näher kommen die Miniaturhäuser und winzigen Weinberge. Malerisch überziehen diese die hügelige Landschaft des Rheingaus und verlieren sich abrupt in den Ausläufern des Talkessels bis hin zu den seichten Fluten des Rheinwassers, das aufgewirbelt wird durch die Motoren der träge dahin ziehenden Schiffe. Nach 10 Minuten Zugfahrt steige ich in Rüdesheim aus. In der winzigen Drosselgasse reiht sich Weinlokal an Weinstube. Eine behagliche Geselligkeit erfasst die Touristen und hält alle bei einem guten Glas Wein auf ihren Sitzen. Märchenhaft wird die heimelige Szenerie vom Glockenspiel im Biergarten des Rüdesheimer Schloss untermalt. Die zierlichen Figuren drehen sich angepasst der langsamen Behäbigkeit ihrer Umgebung und die Melodien versprühen den Zauber der Sagen und Märchen um die schöne Loreley.
Mich zieht es auf eines der Ausflugsschiffe, die Burgenrundfahrten durch das schöne Rheintal anbieten. Mit bedächtigem, metalllischem Rattern durchschneidet der Bootsbug das dunkelgrüne undurchsichtige Wasser. Leise und widerstandslos teilen sich die seichten Wellen und geben nie den Blick auf den Grund des Flusses frei. Ein steiler, schmaler Fussweg führt von der Anlegestelle am Rhein zur Burg Rheinstein hinauf. Windschief sitzt die Festung auf einem Felsvorsprung in 90m Höhe. Bei den sommerlichen Temperaturen ist der Weg bergan eine echt Plackerei. Ich schwitze und die Nachmittagssonne brennt auf meiner Stirn und meinen Wangen. Keuchend erreiche ich das Eingangstor der Anlage. Im 14. Jhd. gab es noch keine Autos, zu Fuss zu gehen war ganz normal. Heute gehört die Burg einem ehemaligen Opernsänger, der das marode Gebäude mit dem eigenen Vermögen instand gesetzt hat. Alte Rüstungen und Waffen, sowie die früheren Adelsgemächer kann der Besucher besichtigen. Die Buntglasfenster der Anlage brechen in einer eigenwilligen und farbenreichen Reflektion die vergehenden Strahlen der Sonne wie ein Kaleidoskop.
Im Burgrestaurant trinke ich ein Glas hessischen Wein. Hellgelb und durchscheinend leuchtet die Flüssigkeit im Weinglas. Mein Blick schweift über die Hänge voller blassgrüner Reben bis hinuter zum dunklen Wasser des Flusses. Zufrieden hebe ich mein Glas und recke mein Gesicht in die wärmende Sonne. Gleisende Sonnenstrahlen brechen sich im hellen Rebsaft. In den rötlichen Strahlen der untergehenden Sonne spaziere ich den Burgweg wieder hinab und warte auf das nächste Boot. Entspannt neigt sich der Sonnenball herunter zum Horizont. Das rotgoldene Licht spiegelt sich auf den Wellen und taucht den Rhein in glitzerndes Orangerot. Reflektiert durch das Wasser fallen die Strahlen zurück in den Himmel und überziehen das Azurblau mit leuchtendroten Schlieren. Diese Region hat eine entspannte Magie, die mich völlig entschleunigt. Ein romantischer, märchenhafter Ort, der nicht zu beschreiben ist.