‚Mein Name ist Hassan. Ich besuche in Fez meine Mutter und meinen Bruder. Ich arbeite eigentlich in Darmstadt.‘ freundlich nickt mein Sitznachbar mir zu. Fest drücke ich die mir entgegen gestreckte Hand. ‚Ich reise quer durch Marokko.‘ erkläre ich ‚von Fez bis nach Marrakesch.‘ ‚Allein?‘ Hassans verblüffter Tonfall wird untermalt von seiner erstaunt gerunzelten Stirn. Er zieht die buschigen Augenbrauen soweit zusammen, dass diese fast nahtlos ineinander übergehen. ‚Am Flughafen soll mich jemand von meinem Hostel abholen, es ist ja schon dunkel und ich möchte dann nicht allein unterwegs sein.‘ Hoffnung liegt in meiner Stimme. Aber auch ein Anflug der Ungewissheit darauf, dass ich mich in Nordafrika befinde und das Zeitempfinden hier sich von meinem europäischen etwas unterscheiden könnte. ‚Ich hoffe zumindest, dass jemand mich abholt.‘ Mein Hostelzimmer hatte ich extra lose nur per Mail reserviert. Ohne Vorauszahlung. Falls ich um halb elf nach der Ankunft allein am Flughafen stehen würde, müsste ich meinen Aufenthalt etwas umplanen. Hassan studiert die sichtbaren Zweifel in meinem Gesicht. ‚Ich habe mir einen Wagen gemietet, meine Familie lebt nicht in der Innenstadt von Fez.‘ erklärt mir der junge Marokkaner.
Unsanft landen die Räder unseres Flugzeugs auf dem Steinboden des Flughafens von Fez. Entschlossen nehme ich meinen Handgepäckkoffer und eile zur Ankunftshalle. Eine warmer Wind begleitet jeden meiner Schritte und hüllt mich ein wie ein wohliges Tuch. Durchsetzt mit kleinen Sandkörnchen, die bei jedem Tritt aufwirbeln und unkontrolliert durch die angenehme Brise wirbeln. Niemand wartet auf mich. Wirklich überraschend kommt das nicht. Einsetzende Dunkelheit hat sich bereits über Marokko gelegt und der klare Sternenhimmel Afrikas zieht über der kargen Umgebung des Flughafens dahin. Ich schreibe eine Mail an die Unterkunft, um nach meinem Transfer zu fragen. Unentschlossen verlasse ich das Terminalgebäude und laufe ein Stück der Stadt Fez entgegen. Verloren blicke ich mich auf der Straße nach einem Taxi um. ‚Fahr doch mit mir.‘ hektisch winkt mich Hassan heran. ‚Ich hole nur schnell das Auto ab.‘ Als er den Wagen anlässt ertönt ein hässliches röhrendes Geräusch. Ich klammere mich an die Tür neben dem Beifahrersitz und hoffe inständig, dass das wackelnde Auto seinen Weg in die Innenstadt findet und bitte erst dann auseinander fallen möge. ‚Ich habe im Internet eigentlich ein ganz anderes Fahrzeug gebucht. Ein viel besseres‘ schimpft Hassan. ‚Aber das ist eben Marokko.‘ schmunzelt er dann und lächelt zu mir hinüber. Tapfer grinse ich zurück und schiele auf meine Finger am Türknauf der Autotür. Die Handknöchel treten weiß hervor.
Am Bab-el-Mansour Tor lädt mich der Marokkaner ab. Auf der Karte in meinem Reiseführer ist genau hier ein Hostel eingetragen. Die Auswahl der Unterkunft ist also leicht. Nicht das Hotel, das ich ursprünglich gebucht habe. Aber ein Bett für diese Nacht. Vom Balkon meines Zimmers betrachte ich die kunstvollen Mosaike des Tors, welches umgeben von der alten Stadtmauer von Fez liegt. Die unzähligen Farben spiegeln sich im schwachen Schein des Mondes und leuchten in einem Traum aus 1001 Nacht. Ich fühle mich wie in einem orientalischen Märchen. Die Geräuschkulisse der Medina zieht zu mir hinauf wie eine leise Melodie durchsetzt von Gerüchen nach Gewürzen wie scharfem Curry oder feinem Safran. Das Geschrei der Händler schallt in einem immerwährenden Lied durch die schwarze Nacht Afrikas. Hinter jeder Straßenecke wartet in Fez ein neuer Schatz aus Mosaiken, zusammengesetzt aus allen erdenklichen Farben. Sich stets verändernd wie ein bewegliches Kaleidoskop. Ich spaziere durch die kleinen Läden, befühle die leichten Stoffe der Schleier und spiele mit dem verzierten Ringen der Schmuckauslagen. Eigentlich bin ich aber auf der Suche nach einer Wunderlampe. Einen Flaschengeist zu haben ist nicht verkehrt. Der Dschinn muss dem Finder der Lampe ein Leben lang dienen und alle Wünsche erfüllen. Zwei Stunden später erhalte ich eine Benachrichtigung der Unterkunft in Fez, die ich ursprünglich in Deutschland gebucht hatte. ‚Ok, wir kommen jetzt zum Flughafen.‘