Schöne Harzstadt Quedlinburg

Im zierlichen, hübschen Quedlinburg mitten im Harz arbeiten etwa 200 Künstler, in deren Werkstätten Besucher und Ortsansässige herzlich willkommen sind. Etliche Galerien öffnen ihre Tore zu Kunstwerken aus unterschiedlichen Materialien. Malerei oder Zeichnung teilen sich die verwinkelten, uralten Kopfsteingässchen mit Holzbearbeitung oder Papeterien. Im nächsten Schaufenster sind selbst gemachte Seidenschals und Tücher den Augen schmeichelnd und kunstvoll drapiert. Im Nebenhaus findet sich eine unüberschaubare Menge handgeschöpften Papiers, von der Decke hängen Boote mit gefalteten Papiersegeln. Ein Fotograf bietet Porträts an, ein Töpfer Keramik, eine Bildhauerin ihre Skulpturen und Statuen, sowie ein weiterer Künstler ästhetisch gedruckte Bilder. Dazwischen finden sich Antiquitäten oder Schmuckunikate, Figuren aus Draht und Insektenanhänger. Radierungen, Aquarelle, Holzschnitte, Gemälde – das persönliche Wunschobjekt ist hier irgendwo erhältlich. Daher trägt die hereinströmende Touristenmasse den Einzelnen vor Werkstatt und Atelier und kontinuierlich weiter zur nächsten Auslage der vielen sorgfältig und vollkommen hergestellten schönen Dinge. Auch einige Buchläden, Bühnen und Theater sind hier zu Hause und ergänzen das kulturelle Angebot. Aus den zierlichen Kaffeehäusern zieht der wohlriechende Duft der gerösteten, schwarzen Bohnen in die Nase.

Ein liebevoll geschmückter, historischer Innenhof dient Handwerkern und Künstlern zur Präsentation kreativer Geschenke. Dem Glasbläser und Filzer kann bei der Arbeit zugeschaut werden, auch selbst entworfene Mode lässt sich dort anprobieren. Der Kleinkunstliebhaber kann ins Kabarett oder einem Konzert lauschen. Und das alles inmitten der liebenswerten, oft schiefen, mehr als 1.300 Fachwerkhäuser, die bunt verziert und reicht geschmückt das beschauliche Städtchen Quedlinburg ausmachen. Deren Balken sind oft krumm, so als hätten sie sich der Last der Jahrhunderte gebeugt. Oft sind sie mit geschnitzten Elementen dekoriert. Oder sie tragen Inschriften, etwa mit der Jahreszahl ihrer Erbauung und dem Namen des Zimmermanns. Gelb, blau, rot, ein buntes Durcheinander, das dem Stadtbild doch gerade deswegen eine märchenhafte Harmonie verleiht. In Deutschland gibt es noch etwa zwei Millionen Fachwerkhäuser. Die meisten sind in Quedlinburg erhalten geblieben und so zählt das Städtchen zum UNESCO Weltkulturerbe. Bis ins 18. Jahrhundert war dies die am weitesten verbreitete Bauweise in Mitteleuropa. Nur Burgen, Schlösser und Kirchen wurden in der Regel aus Stein erbaut. Wer sich ein Haus aus Stein leisten konnte, war im wahrsten Sinne des Wortes steinreich. Holz als Baumaterial war preiswerter und meist auch reichlich vorhanden.

Über dem ganzen Trubel in den engen Straßen thront die Burg auf dem Stiftsberg mit der Kirche Sankt Servatius. Am Finkenherd, zu Füßen des Burgberges, soll vor mehr als 1.100 Jahren dem Sachsenherzog Heinrich die Königswürde angetragen worden sein, während dieser auf Vogelfang war. Er nahm dankend an und regierte von 919 bis 936. Während dieser Zeit war Quedlinburg sein bevorzugter Aufenthaltsort. Die Gräber von ihm und seiner Gemahlin, des ersten deutschen Königspaare, sind in der Krypta direkt unter dem Chor zu finden. Stundenlang kann man durch Quedlinburg laufen und immer wieder Neues entdecken. Fast fühlt sich der Besucher wie auf einer Zeitreise. Das Kopfsteinpflaster erinnert so sehr an die Winkelgasse in den Harry-Potter-Büchern, dass in einigen Geschäften vermutlich auch Zauberstäbe, Hexenbesen und durch die Luft fliegende Gegenstände zu kaufen gibt. Viele kleine Kunstoasen führen entlang der gewundenen, schmalen Gassen bis hin zum dreckigbraunen, kalten Gestein der mittelalterlichen Stadtbefestigung mit ihren Türmchen. Der Schreckensturm ist der größte und gleichzeitig auch unheimlichste Turm. Im Inneren befinden sich ein früheres Verlies und eine Folterkammer. Unter anderem sollen dort, wie auch im Keller des Rathauses, Hexen gefoltert worden sein.

Auch heute hängt Quedlinburg noch ein wenig das Stigma der Hexenverbrennungshochburg nach. Berichte über eine Massenhinrichtung von 133 sogenannten Hexen im Jahr 1589 haben sich jedoch als falsch erwiesen. Nichtsdestotrotz gibt es Akten, die belegen, dass dennoch mindestens 40 „Hexen“ während der Hexenverfolgungszeit in Quedlinburg umgekommen sind. Oder in der Nähe im halben Haus, das aussieht als hätte man es in der Mitte einfach durchgeschnitten. Der Schuhhof wiederum ist die engste Gasse Quedlinburgs. Hier befand sich die mittelalterliche Arbeitsstätte und der Wohnort der Schuhflicker. Der Verkauf ihrer Ware erfolgte damals durch die geöffneten Fensterläden, die dann abends nach getaner Arbeit geschlossen wurden. Traut man sich durch den Durchgang „Die Hölle“ wird man mit weiteren schönen Gassen mit Fachwerkhäusern und lauschigen, gemütlichen Plätzen belohnt. Hier kann man sogar in der Pension „Vorhof zur Hölle“ wohnen. Kaum zu glauben, dass dieses Kulturmekka seinen Namen von einem Hund hat. Dieser hieß Quedel. Durch lautes Bellen warnte dieser die Bürger der Stadt vor einer herannahenden Räuberbande, sodass die Stadttore noch rechtzeitig geschlossen werden konnten. Aus Dankbarkeit und als Erinnerung nannten die Bewohner der Stadt diese seither „Quedlinburg“ und nahmen den Hund in ihr Wappen auf. Eine Skulptur auf dem Kornmarkt erinnert heute noch an das schlaue Tierchen.


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