
Der Automat frisst meine Kreditkarte. Eine Eintrittskarte spuckt er natürlich nicht aus. Misstrauisch beäuge ich das Vorgehen am Eingang zum Parc Güell in Barcelona. Meine Karte zeigt sich nach kurzer Zeit zum Glück wieder. Erleichtert atme ich aus. Ich zucke die Achseln. ‚Gibt es die Möglichkeit bar zu bezahlen?‘ frage ich die junge Mitarbeiterin, die ebenso hilflos wirkt wie ich. Ich folge ihrem ausgestreckten Finger. Den gesamten Weg an der Mauer des Gartengeländes entlang schlendere ich zurück. Einem überaus überraschten Kassenmitarbeiter drücke ich meinen zerknüllten Geldschein in die Hand. Endlich erhalte ich Zutritt zum Wundergarten Gaudis. 1899 erwarb Gönner, Freund und Förderer des Architekten, der Industrielle Eusebi Güell das Grüngelände auf einem Bergrücken mit einem fantastischen Blick auf Barcelona. Dieser war von den englischen Gartenanlagen sehr beeindruckt und wollte eine solche auch in seiner Heimatstadt haben. Von 1900 bis 1914 arbeitete Antoni Gaudí an diesem Werk.

Er plante eine Gartenstadt mit über 60 Villen. Zur Finanzierung sollten diese schon im Vorfeld verkauft werden. Das Vorhaben scheiterte aber mangels Interessenten. Es wurden nur zwei Parzellen verkauft. Wegen fehlender Mittelö konnte der Park so nicht fertiggestellt werden konnte. Drei Häuser wurden dennoch gebaut. Das Wohnhaus der Familie Güell, heute eine Schule. Das Wohnhaus Gaudís, welches seit 1963 als Casa-Museu Gaudí eine Ausstellung zum Archtitekten zeigt. Zuletzt das Wohnhaus eines befreundeten Architekten, das noch heute bewohnt ist. Das Projekt fing nicht gerade mit den besten Aussichten an. Es handelte sich um ein fern von der Stadt brach liegendes Gebiet ohne ausreichende Verbindungen zum Zentrum. Das wurde von vielen potenziellen Käufern als ein allzu großes Risiko gesehen. Niemand wollte hier die frische Luft, immerhin weit weg von den Fabriken, sowie die tolle Aussicht genießen. Damals lag der Park noch am Rand der Stadt. Die Grundstücke fanden keine Käufer.

Gaudí achtete bei der Anlage des Gartens nicht nur auf umweltgerechtes, sondern auch auf kostengünstiges Bauen. Er verzichtete auf große Erdbewegungen und passte seine Pläne dem hügeligen Terrain an. Dabei verwendete er Stützmauern und Terrassen. Diese fügen sich durch ihre Formen gleichmäßig ins Gelände und vermittelten einen Eindruck von gleichmäßiger Natürlichkeit. Der Architekt respektierte ebenso die Vegetation, die bereits vorhanden war. Auf dem Gelände wuchsen hauptsächlich Johannisbrot- und Olivenbäume. Er ergänzte andere mediterrane Pflanzen. Die benötigten Materialien fand der Baumeister auf dem Areal selbst. Herrliche Mosaike formte er aus den Abfällen der nahen Keramikfabriken.

Ich stehe vor der großen Freitreppe direkt am Eingang des Parks. Die Dächer der Pförtnerhäuschen sehen aus, als hätten diese in Zuckerguss gebadet. Neugierig beäugt mich der bunte Salamander, der auf den Stufen der Zugangstreppe sitzt. Vielfältigen schillernde, farbenprächtige, zierlichen Keramikstückchen überziehen die Haut seines Rückens bis hin zu Gesicht und Beinen. Die Echse, die das Element Feuer symbolisieren soll, ist in so gut wie jedem Souvenirladen Barcelonas in klein oder größer zu finden. Zum Beispiel als Magnet für den Kühlschrank. Sie ist das berühmte Aushängeschild von Gaudis Park Güell. Im Original kann ich diese leider nicht mehr bestaunen. Dieses wurde leider vor ein paar Jahren durch Vandalismus zerstört. Die Sonne spiegelt sich auf dem aus vielen winzigen Teilchen bestehenden Mosaik. Blaue Lichtblitze winden sich von der haut des Ungetüms bis hin zu meinen Augen. Ich schlender die Stufen hinauf zum 3.000m2 großen Terrassenplatz, der überall und umfassend mit gelblich braunem Sand bedeckt ist.
Kleinste Keramik- und Kristallteilchen glitzern wie der Kamm einer sprudelnden Welle in den gleißenden Sonnenstrahlen. Ich setze mich auf die weiße Bank, die sich wie ein Wellenkamm als Begrenzung der Sandterrasse dahinzieht und bewundere die Mosaikarbeiten. Meine Finger fahren über die vielen Bruchstücke der bunten Keramik. Eigentlich sollte hier ein Amphitheater für Veranstaltungen entstehen. Die Steinbank, auf der ich sitze, ist ergonomisch. Gaudi wollte diese dem menschlichen Körper anpassen. Um ihr die entsprechende Form zu geben, bat er einen seiner Arbeiter, sich zu setzen und als Modell zu dienen. 86 Säulen tragen das Plateau, dessen Mosaikrand sich in gekräuselte Wellen legt. Diese Säulen sind innen hohl und kanalisieren das Regenwasser, das sich auf dem Platz sammelt. Eine weitere geniale Machart Gaudis. Unter dem Platz formen sie eine offene Halle.

In diesem Säulensaal erwarten mich ebenfalls wunderbare Bildmosaike an der Decke. Eigentlich war dieser Raum einmal als Markthalle gedacht gewesen. Ich drehe mich um die eigene Achse in diesem Wald voller Säulen. Beim Bau dieses Gebildes ließ Gaudi sich von der altgriechischen Architektur des Tempels von Delphi inspirieren. Direkt dahinter erstrecken sich die grünen Triebe des Parks. Ein Gewirr aus Wegen, Laubengängen, Viadukten, Mauern und Brücken tut sich auf. Dem Architekten gelang es, sein Werk vollkommen dem Wesen der Natur anzupassen. Daraus geworden ist ein liebevoll bunter, magischer Märchengarten. Abseits vom Trubel der Großstadt Barcelona kann man hier in Ruhe und Stille spazieren. Die gesamte Anlage ist wunderschön gestaltet und überrascht mit vielen gefühlvollen, behutsamen Details. Ich genieße die tolle Aussicht auf die Stadt, bis hin zum Meer. Diese parkähnliche Gartenanlage sucht ihres Gleichen.

Das Projekt der 60 Häuser hatte letztlich niemals Erfolg. Die Arbeiten wurden im Jahr 1914 eingestellt. Eusebi Güell verstarb 1918, und seine Erben entschieden sich, sein Anwesen zu verkaufen. Neuer Besitzer wurde die Stadt Barcelona, die es 1922 für den Betrag von 3.200.000 Peseten erwarb. Die Anlage wurde in einen öffentlichen Park umgewandelt. Im oberen Teil der Stadt gelegen, war sie bis vor wenigen Jahren ein ausgesprochen ruhiger, anheimelnder Ort. Derzeit erfreut sich das Areal eines regen Zuspruchs durch die einheimische Bevölkerung. Ich genieße den wunderschönen, stillen Ausblick über Barcelona. Gaudi hinterließ der Nachwelt ein wahres Wunderwerk. Seine Inspiration durch die Natur ist bis heute allgegenwärtig und einzigartig. Auch hier kann diese letztlich nicht enden.

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