Lale Andersen?

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‚Sagen Sie mal, Lale Andersen hat doch viele Jahre auf Langeoog gelebt?‘ neugierig sehe ich die junge Bedienung an. ‚Kann man hier noch etwas über sie erfahren?‘ Das Mädchen zuckt nachdenklich die Achseln. ‚Da gibt es nur ihr ehemaliges Haus in der Nähe. Das ist jetzt allerdings kein Museum, sondern eine Ferienwohnung. Da können sie leider nicht rein. Es ist nur von Außen zu betrachten. Ihre Gedenkstätte auf dem Friedhof hat mich ehrlich gesagt ziemlich enttäuscht. Ein Denkmal in der Innenstadt gibt es aber noch. Das zeigt sie an eine Laterne gelehnt, wie Lili Marlen in dem bekannten Lied von ihr.‘ Hoffnungsvoll wage ich einen Vorschlag. ‚Vielleicht im Heimatmuseum Fischerhaus?‘ Die Kellnerin schüttelt den Kopf und hebt entschuldigend beide Hände. ‚Das weiß ich nicht. Ich war noch nicht dort.‘ Ich zahle mit EC-Karte. ‚Arbeiten sie hier hauptberuflich?‘ will ich neugierig wissen. Die Servicekraft schüttelt den Kopf. ‚Nein. Nur im Sommer von Ende März bis November.‘ Ich rate weiter. ‚Sie sind Studentin?‘ Erneut schüttelt die junge Frau den Kopf. ‚Ich bin eigentlich Floristin.‘ informiert sie mich. ‚Auf dem Festland verdient man da aber nicht viel, am Ende bleiben mir etwa 1.200 Euro im Monat. Wie soll ich davon eine eigene Wohnung und mein Auto bezahlen?‘ Sie runzelt fragend die Stirn. ‚Hier verdiene ich viel mehr. Dafür ist man aber wirklich nur zur Arbeit hier. Ich bediene 6 Tage die Woche, nur sonntags habe ich frei. Nach der Saison überlege ich dann, ob ich mit meinem Ersparten verreise oder über den Winter bei meinen Eltern in der Nähe von Hamburg wohne. Dort habe ich eine ganze Etagenwohnung für mich allein. Ich bin ja nur 3-4 Monate im Jahr zu Hause, da würde sich kein eigenes Zimmer lohnen. Ständig einen Zwischenmieter zu suchen oder sich bei der Stadt an- und abzumelden wäre ja nur Stress.‘

Sie wirkt auf mich dennoch sehr zufrieden mit Ihrem Lebenswandel. ‚Wird Ihnen die Wohnung hier dann bezahlt?‘ will ich wissen. Nachdenklich sieht die Kellnerin mich an. ‚Das kommt darauf an. Manche Arbeitgeber tun das. Andere knüpfen einem die Hälfte des Lohns für die Unterkunft ab. Das sind dann schon mal 700 Euro für eine 1-Zimmer Wohnung mit WLAN. Und nur wenn man Glück hat, wohnt man in einem Einzelzimmer. Manchmal muss man sich mit anderen Arbeitskräften ein Doppelbett teilen oder es steht ein Etagenbett für mehrere Personen in der Mietwohnung.‘ 700 Euro bleiben dann etwa für einen Monat Arbeit und das an 6 Tagen in der Woche. Ich finde, das ist wirklich nicht viel. Die Bedienung scheint meinen Gesichtsausdruck zu deuten und versichert schnell ‚Trinkgeld verdient man hier sehr gut. Ich muss meine Ersparnisse hier überhaupt nicht antasten, sondern kann komplett davon leben. Im Winter suche ich mir dann einen 450 Euro Job als Floristin auf dem Festland gegen die Langeweile. Arbeiten müsste ich eigentlich nicht.‘ Nachdenklich sehe ich die junge Frau an. Das wäre nichts für mich, so völlig ohne eigene 4-Wände. Ich würde meine Basis vermissen. ‚Hat man während der Saison überhaupt soziale Kontakte auf der Insel?‘ frage ich vorsichtig. Im Grunde arbeitet man ja eigentlich nur. Die Servicekraft winkt ab. ‚Nein, hier bin ich nur wegen dem Job. Man geht natürlich auch mal mit Kollegen auf ein Bier in die Düne 13. Aber ich halte mich aus den Gesprächen immer weitgehend raus. Am Ende des Arbeitstages gehe ich normalerweise einfach gleich ins Bett. Langeoog ist eine Tratschinsel. Da erzählt jeder über jeden. Das nervt einen, ist anstrengend und ärgert mich auch. Ich erspare mir das.‘ Sie gibt mir lächelnd den Rechnungsbeleg und verabschiedet sich. ‚Düne 13?‘ frage ich meinen Partner. Ich grinse. ‚Wollen wir mal sehen was der Inselfunk spricht?

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