Es gibt Orte auf der Welt, die Ihre traditionellen Bräuche niemals verlieren oder ablegen. Sankt Peter im Schwarzwald ist so ein Platz. Überragt wird die kleine Gemeinde von einem mächtigen Benediktinerkloster. Die Kirche hat hier auf dem Land noch einen wichtigen Stellenwert im Alltag. Man darf hier am Sonntag keinesfalls Rasen mähen oder Wäsche aufhängen. Sonntägliche Arbeit würde den Nachbarschaftsfrieden stören. Hell ertönen die Glocken aus den Türmen der mächtigen Abtei über dem überschaubaren Dorf. In dunklem Grau werfen die hohen Kirchtürme ihren Schatten auf das hellgrüne Gras der umliegenden Wiesen. Ich bin an einem Sonntag hier. Die Straßen sind völlig menschenleer und werden sich erst dann mit einigen Fußgängern füllen, wenn der nächste Gottesdienst beginnt. Stumm sitzt ein alter Mann vor seiner Holzschnitzerei und bewegt gleichmäßig das Schnitzmesser in den Holzpflock auf seinem Schoß. Er sieht mich tonlos an und nickt kurz bevor er sich wieder seinem Müßiggang zuwendet.
Viele Häuser gibt es hier nicht. 2.500 Menschen leben verteilt auf das ca. 36 Km² große Areal der Gemeinde. In diesem friedvollen Ort seine Kindheit zu verbringen ist bestimmt schön. Man kann Angeln, Laufen, Ski fahren, Wandern, Radfahren oder Reiten. Aber spätestens als Teenager hat man von der ländlichen Idylle sicher die Nase voll. In Sankt Peter gibt es insgesamt 13 Cafes und Wirtschaften. Oberhalb der Kirche lockt der Lindenberg als Wallfahrtsstätte und Ausflugsziel. Von hier hat man bei schönem Wetter einen wundervollen Rundblick bis hinüber zum Feldberg. Die kleinen Gässchen liegen völlig friedlich da. Ruhe und wohltuende Stille sind das einzige was hier gut zu finden ist. Die einzige Sehenswürdigkeit ist wirklich der mächtige Klosterkomplex. Von Herzog Bertold II wurde der Ort 1093 auch als Benediktinerkloster gegründet. Seit 1995 verkaufen die ansässigen Bauernhöfe und Imker jeden Freitag ihre Produkte auf dem Markt im Klosterhof. Sie bieten frischer und gesunde Nahrungsmittel aus heimischer Produktion an. An bestimmten Tagen zeigen traditionelle Handwerker zusätzlich das Können alter Handwerksarbeiten.
Handwerk und Kunst wurden durch das Kloster stets gefördert. So siedelten sich im Halbrund um den Klosterbezirk Sattler, Schmiede, Drechsler, Schnitzer und Schreiner an. Heute sind Gasthöfe, Hotels, Cafés und Geschäfte in diesen historischen Häusern untergebracht. Dominierend jedoch sind die würdigen Bauernhöfe, die vor 200 und 400 Jahren, oft als Klosterhöfe, in die sattgrünen Hänge der Viehweiden und Koppeln bis hinauf an den Fuß des Berges Kandel gebaut wurden. Diese Landschaft strahlt einen allumfassenden Frieden aus und verströmt überhaupt keine Hektik. Die Bauern von St. Peter halten an den alten Traditionen der Frömmigkeit fest. Zu den wichtigen Kirchenfesten gibt es immer eine Flurprozession der Gläubigen. Dazu kleiden sich die Anwohner in ihre schönen Trachten. Die Kinder tragen Perlenschäppele, die Frauen weiße Schnapphüte mit Blumen und Bändern, die Männer schwarze Joben und Hüte. Wer sich zur Tracht bekennt, pflegt die Kultur. Wer die Tracht trägt, hält die Kultur lebendig. So heißt ein gängiges Sprichwort hier.
In Sankt Peter üben bis heute noch alle Trachtenhandwerkerinnen ihren Beruf aus. Diese sind: Trachtenschneiderin, Schäppelmacherin, Hutmacherin, Kappenmacherin und Goldstickerin. Die älteste Trachtenbeschreibung, verfasst im Kloster von St. Peter, reicht bis zum Jahr 1739 zurück. Das öffentliche und private Leben im Dorf ist noch weitgehend von traditionellen Lebensgewohnheiten geprägt. Man ist stolz auf die heimatliche Tracht und Mundart, sowie die folkloristische Musik und den Tanz. Durch die vielen bestehenden Vereine wird auch zukünftig das örtliche Kulturgut seinen Platz im Leben der Anwohner haben. Hier zu leben wäre mir zu einsam. Das spüre ich in diesem Moment. Aber als Urlaubsort ist die friedliebende und harmonische Atmosphäre Sankt Peters ein beruhigender Ort zum Kraft tanken. Hier kann ich Natur genießen, entspannen, wandern durch Täler, Wiesen und Wälder und über Höhen mit unvergleichbarer Sicht auf den Schwarzwald. Ich habe den Ort lieb gewonnen. Und kehre gern zurück.