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Im weichen, feinen Sandstrand hinterlassen meine Schuhe neben den leichten Pfotenabdrücken eines Hundes seichte Spuren. Möwen sitzen auf den morschen Holzstegen auf dem träge dahintreibenden Wasser der Ostssee. Leise und sanft plätschern die graugrünen Wellen auf das Ufer und verteilen sich sachte auf dem feuchten Sand. Der Wind fährt in einer frischen Brise kalt und tief in meine Glieder. Mein Atem steht sekundenlang vor meinen Lippen bis der Hauch in der kalten Winterluft zu einem feinen Sprühregen verblasst und gleich darauf verschwindet. Ich reibe meine Oberarme mit beiden Händen. Die Wärme lässt auf sich warten. Vor mir liegt die Tiefe und Abgeschiedenheit des Meeres, wie sie nur ein Wintermorgen bieten kann. Ich fühle mich frei. Dennoch sind einige Touristen und Einheimische unterwegs. In Lübecks Stadtteil Travemünde kann man im grunde nur Flanieren. Spaziergänger säumen den gesamten Sandstrand. Hunde wühlen im feuchten Sand oder trauen sich in das kalte Bad der Ostsee. An diesem Ort geht es ums Sehen und Gesehen werden. Außer Wellen, Strand, hübschen Häusern, Restaurants und einem Leuchtturm ist hier nichts geboten.
Bojen schwimmen gleichmäßig und fast reglos in der Bewegung des Meeres. Einsam lässt ein Drachenflieger auf einer Düne seinen Drachen steigen. Kinder werfen Steine ins Meer und freuen sich, wenn diese auf den Wellen dahin springen. Angeschwemmtes Holz und Muschelstückchen überziehen den Strand mit einem filigranen, braun gesprenkelten Netz in einem unregelmäßigen Muster. Die Muscheln glänzen silbern in ihrem Innern fast wie richtiges Perlmutt. Meine Ohren werden kalt. Ich ziehe meine Wollmütze tiefer in mein Gesicht. Ein Hund bellt in der Ferne auf der von Bäumen gesäumten Promenade. Tief atme ich den salzigen Geruch des Meeres ein, während ein Fischverkäufer mit seinem kleinen mobilen Stand lautstark würzige Fischwaren und Backfisch anpreist. Einen Moment frage ich mich, was schöner ist. Berge oder das Meer? Ich glaube, der schönste Moment offenbart sich immer genau dort, wo ich gerade bin. Travemünde verströmt eine Behaglichkeit und Idylle, die ich genießen kann. Bis mir die Isolation und Makellosigkeit langweilig wird.
Das Europäische Hansemuseum in Lübeck befindet sich in einem alten Kloster der Dominikaner aus dem 13. Jhd (1222). Von 1893 bis 1896 wurde es in ein Gerichtsgebäude mit Untersuchungsgefängnis umgebaut. Die ehemaligen kargen Gefängniszellen mit dem nackten Steinboden und überschaubaren Fensteröffnungen sind heute noch erhalten. Der Raum des Schöffengerichts auch, allerdings tagte hier zum letzten Mal 1962 das Gericht. Rund um den Museumskomplex ist als Teil des Lübecker Weihnachtsmarktes ein Wichteldorf aufgebaut. Ich spaziere entlang der kleinen hölzernen Buden, die zwischen den dunkelgrünen Tannenbäumen versteckt sind. Winzig sind die Möbel, wie in einem Puppenhaus. Gustav der Weihnachtswichtel wohnt in einer der kleinen Hütten und steht halb versteckt hinter einer kleinen Tanne. Ich knie, um mich auf Zwergenhöhe zu begeben und wir lassen uns freundlich lächelnd ablichten. Der Hof des alten Klosters leuchtet auch nach dem Fest noch in hellgelben Weihnachtslichtern. Funkelnd werden diese von den kleinen Pfützen aus Nieselregen reflektiert und auf die unebenen Steine des Kopfsteinpflasters geworfen. Auch in Lübeck wird es früh dunkel und bereits ab 14:30 Uhr fällt die Umgebung in einen gräulichen Zustand der Dämmerung.
Der einsetzende Abend bringt die Kälte verstärkt zum Ausdruck. Fröstelnd reibe ich beide Hände an meinen Oberarmen und schiebe dann mit den Fingern meine Wollmütze über die Ohren. Ich ziehe die schwere Holztür des Museums auf. 1143 gründete Graf Adolf II Lübeck. Auf Ruinen einer früheren Handelsstadt gebaut erhält der Ort denselben Namen, nämlich Lubice. Der Adlige errichtete den Ort als neues Fernhandelszentrum am Meer. Kurz darauf fällt Lübeck einem verheerenden Brand zum Opfer und brennt völlig nieder. Herzog Heinrich ließ die Stadt wieder komplett aufbauen und bot Händlern aus Skandinavien und Russland dort freien Handel und schuf dadurch das wichtigste Fernhandelszentrum an der Ostsee. Seit dem 12. Jhd. spannen Kaufleute aus ganz Europa über politische Grenzen hinweg ein weitreichendes Handelsnetz. Im Ostseeraum dominieren diese Kontakte im Mittelalter die Märkte. Das gesamte Handelsgebiet erstreckt sich von England im Westen bis zur französischen Atlantikküste und den Küstenstädten Spaniens, Italiens und Portugals. An den wichtigsten Punkten gründen die Kaufleute Niederlassungen, die als Kontore bezeichnet werden. Die vier größten entstehen in Nowgorod (R), Brügge (B), London (GB) und Bergen (N).
Zeitweise zählen Kaufleute aus über 200 Städten zu diesem gesamten Verbund, der sich seit dem 14. Jhd. als Hanse bezeichnet. Nowgorod in Russland ist ein wichtiges Zentrum für die deutschen Kaufleute, um Pelze, Wachs und Honig zu kaufen. Abnehmer für diese Waren finden sie beim europäischen Adel und den Kirchen. Im Gegenzug bringen die Kaufleute Silber, Metallwaren, Wolle, Lebensmittel und Waffen in die Stadt. Mit 15.000 Einwohnern ist das mit den nördlichen Ausläufern der Seidenroute verbundene Nowgrorod wesentlich größer als Lübeck. Die Fernhändler wickeln im 12. Jhd. hauptsächlich Tauschhandel ab. Im Mittelalter ist dies eine übliche Vorgehensweise. Der An- und Verkauf von Waren auf Kredit ist in dem russischen Handelszentrum streng verboten. Die mittelalterlichen hölzernen Segelschiffe, auf denen die Güter transportiert wurden, heißen Koggen. Diese wurden von mindestens 8 Seeleuten gesteuert, ein Koch und ein Steuermann fuhren ebenfalls mit und natürlich ein Schiffer. Die Besatzung ist während der gesamten Seefahrt an Bord. Steht der Wind günstig müssen die mittelalterlichen Matrosen ununterbrochen arbeiten. Bei Flauten warten diese manchmal tagelang bis es weitergehen kann.
Ich atme hörbar aus. Dann sitzt man ewig auf einem alten Kahn fest. Auch die Seeleute des Mittelalters konnten sich bestimmt besseres vorstellen. Immerhin kann man auf einem Handelsschiff nicht verhungern, grüble ich mit Blick auf ein hölzernes Miniaturkoggemodel. Je nachdem, was das Schiff geladen hat. Pelze und Wachs kann man nicht essen, russischen Honig schon. Neben Pelzen und Wachs, zählen Heringe und Salz zu den wichtigsten Exportwaren der deutschen Kaufleute. Die Heringe von Lübecker Fischern legt man sofort nach dem Kauf in Salz aus Lüneburg ein, um diese haltbar zu machen und zu verkaufen. Aus logistischen Gründen schlossen sich deutsche und gotländische Händler im 12. Jhd. zu Fahrgemeinschaften zusammen. Die Überfahrten sind gefährlich. Um sich gegen Räuber und Piraten zu schützen tragen die Kaufleute Waffen, hauptsächlich Schwerter bei sich. Auf Gotland treffen sich Verkäufer aus ganz Europa, da die Insel strategisch wunderbar gelegen ist. Ein Zusammenschluss bei dem die Herkunft der Händler eine untergeordnete Rolle spielt, ist für die damalige Zeit eher ungewöhnlich, aber wegweisend für die Entwicklung der Hanse.
In Nowgorod angekommen bilden die Fahrgemeinschaften zur Weiterreise einen neuen Verband mit den örtlichen Kaufleuten. Sie wählen einen Ältermann, der bei Konflikten und Verhandlungen mit den russichen Händlern hilft. Auf dem Markt in Nowgorod gelten die örtlichen Maß- und Gewichtseinheiten. Deutsche Verkäufer müssen daher stets nach den örtlichen Begebenheiten umrechnen und kämpfen für die Einfuhr eigener Gewichte. Die unterschiedlichen Maß-, Gewichts- und Werteinheiten machen die Tauschgeschäfte von damals zu einer komplizierten Rechenaufgabe. Da es den Fernhändlern aus religiösen Gründen untersagt ist, Gewinn zu erwirtschaften, können die unterschiedlichen Maß- und Gewichtseinheiten zur Verschleierung ihrer Gewinne beitragen. Eine Elle Tuch ist in Nowgorod kürzer als in Lübeck, aber die Händler verkaufen den Stoff zum selben Preis wie in der Hansestadt. Mit dem Handelsvertrag von 1191 werden zum Glück deutsche Gewichte eingeführt. Allerdings nutzen die europäischen Händler diesen Umstand ebenfalls um zusätzlichen Gewinn zu erwirtschaften und den Fernhandel besser zu kontrollieren. Grundkenntnisse der russischen Sprache müssen sie dennoch lernen, Dolmetscher sind rar gesät. Um unabhängiger agieren zu können und die Sprachbarriere zu überwinden lassen die Kaufleute ihre Kinder in den ausländischen Niederlassungen oder an den Höfen des Nowgoroder Stadtadels ausbilden.
In den Städten werden die Siedlungsflächen ständig durch das Trockenlegen von Flüssen erweitert. In Lübeck gewinnt man auf diese Weise 43 Hektar Bauland. Mit dem Aufstieg der Städte verändert sich die Gesellschaft. Die Grupe der Bürger mit eigenen Rechten entsteht. Vor allem Kaufleute, aber auch Handwerker können zu Wohlstand gelangen. Arbeitsteilung setzt sich im kaufmännischen Bereich immer mehr durch. Die Händler reisen nicht mehr selbst an die Umschlagsplätze der Waren. Sie erledigen ihre Geschäfte vom Schreibtisch aus und senden Vertreter. Dadurch können Sie natürlich an wesentlich mehr Orten Waren zum Kauf anbieten. Mit steigenden Gewinnen und dadurch auch Vermögen steigen die Händler in die Führungsriege der Städte auf. Sie machen zwar nur einen geringen Anteil der Gesamtbevölkerung aus, bestimmen aber zunehmend die Politik der Orte. Den Kaufleuten und Handwerkern steht die schnell wachsende Schicht der Armen gegenüber. Da diese als Tagelöhner und Gesinde kaum Besitz haben, erhalten sie keine Bürgerrechte und damit auch kein Mitbestimmungsrecht.
In Lübeck beginnen die Bewohner in der ersten Hälfte des 13. Jhd. eine Mauer zu errichten, die das gesamte Stadtgebiet umschließt. Spätestens seit 1226 gilt innerhalb dieser Grenzen ein einheitliches Stadtrecht. Lübeck untersteht keinen Stadtherren, sondern direkt dem römisch-deutschen König und Kaiser. Das bedeutet für die Bürger relative Autonomie, Selbstverantwortung und Zahlung der Steuern direkt an den Kaiser. Lübeck ist politisch selbstständig und besitzt eine eigene Gerichtsbarkeit. Ebenso erhält die Hansestadt das Recht auf Selbstverteidigung. Jeder Einwohner ist verpflichtet sich an der Erhaltung der Stadtmauer zu beteiligen und regelmäßig Wachdienst zu übernehmen. Von dieser Pflicht konnte man sich natürlich auch frei kaufen oder einen untergebenen Depp als Stellvertreter bestellen. Auch erwerbstätige Frauen mussten sich an diesem Dienst beteiligen. In Göttingen z. B. verteidigten Frauen ihre Stadt gegen das Heer eines Erzbischofs indem diese Bratpfannen und Kessel voll heißen Wassers auf die Angreifer kippen. Das hat funktioniert.
Im 13. Jhd. steigen die Fernhändler in die politische Führungsriege ihrer Heimatstädte auf. Als Ratsmitglieder können diese die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Ressourcen der Stadt für die Interessen ihrer Gruppe einsetzen. Vor allem in Seestädten wie Lübeck bilden Kaufleute die Mehrheit im Rat. Auch Handwerker gelangen während dieser Zeit zu Wohlstand, sie bleiben in politischen Dingen jedoch machtlos. In Lübeck fälschen die Ratsherren eine Ratswahlordnung, sodass Handwerker und andere soziale Gruppen über Jahrhunderte von der Wahl in den Rat ausgeschlossen bleiben. Im 14. Jhd. dominieren die deutschen Kaufleute den Handel im Norden und die italienischen Händler den im Süden. In Italien entstehen Zusammenschlüsse von Kaufleuten, die sich Kompagnien nennen und eigene Niederlassungen im Ausland gründen. Den Kauf von Waren tätigt der Kaufmann inzwischen über Barzahlung oder eine Kostenbegleichung mit Schuldschein. Am üblichsten ist der Schuldschein. Der Händler zahlt die gekaufte Ware, wenn er diese selbst an Kunden veräußert hat.
Brügge entwickelt sich im 14. Jhd. zur Drehscheibe des Handels in Europa. Als einzige der Städte in Flandern, in denen Tuch produziert wird, verfügt die Stadt über einen direkten Zugang zur Nordsee. Kaufleute kommen vor allem wegen den dort produzierten Stoffen in die Stadt und bringen dabei Waren aus aller Welt mit. 1358 fordert Brügge von den deutschen Händlern höhere Abgaben und schränkt deren Handelsrecht massiv ein. Die Kaufleute boykottieren bis 1360 die Ein- und Ausfuhr von Waren nach Flandern bis die belgische Regierung nachgibt. Ihr Ziel ist es die Wirtschaft der Region zu schwächen und durch fehlende Getreidelieferungen Unruhen in der Bevölkerung auszulösen. Mit dem Embargo wollen diese bessere Handels- und Aufenthaltskonditionen erzwingen. Die Tuchproduktion bricht ein. Arbeitslosigkeit und Hunger sind die Folgen.
Zusätzlich bricht zur selben Zeit die Pest in Europa aus und verschärft die sozialen Missstände. Vermutlich schleppen Handelsschiffe aus Asien die Seuche ein. Fast ein Drittel der Bevölkerung stirbt. In Lübeck fallen die Hälfte der Ratsherren der zweiten Pestwelle 1367 zum Opfer. Die Situation zwingt die Flamen schließlich den deutschen Kaufleuten ihre früheren Privilegien zuzugestehen und diesen weitere Sonderrechte einzuräumen. Wesentlich mehr als allen anderen ausländischen Händlern. Die Pest sehen viele Menschen im Mittelalter als eine Strafe Gottes an. Die medizinischen Gründe für die Krankheit sind damals nicht bekannt. Durch Spenden und Stiftungen an geistliche oder wohltätige Einrichtungen versuchen sie den Zorn Gottes zu besänftigen. In Lübeck wächst der Besitz der Kirche durch Spenden und Hinterlassenschaften immens. Viele Einwohner versuchen sich durch Pilgerfahrten und Bußübungen ihrer Sünden zu entledigen. Wer die Pest überlebt gelangt durch Erbschaften nicht selten zu größerem Wohlstand. Schätzungsweise jeder Dritte erliegt in Europa den Folgen der Krankheit.
Im 15. und 16. Jhd. entwickelt sich London zur Handelsmetropole. Wichtigstes Exportgut ist Wolltuch. Mit dem nationalen und internationalen Handel wachsen Ansehen und Einfluss der Stadt. Auf London entfallen Mitte des 15. Jhd. etwa 60% des gesamten englischen Außenhandels. Auch die Kaufleute der Hanse konzentrieren sich immer stärker auf die Hauptstadt Großbritanniens. Im Handel mit England verlagern sich die Warenströme der Hansekaufleute. Bis 1400 tauschen diese in den Hafenstädten vor allem Rohwaren wie Pelze und Wachs aus dem Osten gegen Wolle, Zinn und andere Güter. Danach gewinnt der Handel in Nord-Süd-Richtung an besonderer Bedeutung. Die Hansehändler beliefern nun insbesondere die Messen auf dem europäischen Festland. Piraten, Stürme und Schiffsunglücke sind eine ständige Gefahr beim Segeln. Wie schon zuvor segeln die Fernhändler daher gern in Konvois um sicher anzukommen.
Im 15. Jhd. kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen England und der Hanse. Die Engländer mißachten regelmäßig die Privilegien der deutschen Kaufleute. Die Händler aus Deutschland sind ihrerseits nicht bereit den englischen Kaufleuten dieselben Rechte zu gewähren, die sie in England genießen. Als England mit dem dänisch-norwegischen Königreich aneinander gerät, das 11 englische Schiffe im Sund beschlagnahmt, schreibt Großbritannien die Taten der deutschen Hanse zu. Die deutschen Kaufleute werden vor den englischen König geladen und festgenommen. Die Krone verurteilt die Händler zum Schadensersatz. Nur die Kölner werden freigesprochen, was zu weiteren Konflikten innerhalb der Hanse führt. Im April 1469 wir auf einem Hansetag in Lübeck ein Handelsboykott gegen England beschlossen.Es kommt zu einem Hansekrieg. Dieser währt bis 1474, dann erhalten die Kaufleute ihre Privilegien in England zurück und die englischen Händler dieselben Rechte in Deutschland.
Geld und diplomatisches Geschick verhelfen den deutschen Kaufleuten im 16. Jhd. zum rasanten Aufstieg. Allerdings reicht es den Händlern nicht mehr reich zu sein. Vor allem in den Städten besitzen diese politischen Einfluss. Die Vertreter der städtischen Führungsgruppen pflegen einen adelähnlichen Lebensstil und präsentieren ihren Wohlstand bei jeder Gelegenheit. Die Städte müssen seit dem 14. Jhd. ihre Autonomie immer vehementer gegen eine Vereinnahmung durch die jeweiligen Landesherren verteidigen. Der niedere Landadel beginnt sich daher von seinen Verwandten in der Stadt abzugrenzen. Im 16. Jhd. kommt es zu einer deutlichen Trennung zwischen Stadt- und Landadel. Neue Bestimmungen verhindern Eheschließungen zwischen städtisch-bürgerlichen und adligen Familien. Bürgersöhne werden von adligen Turnieren und aus den Ritterorden ausgeschlossen. Durch höfische Umgangsformen grenzt sich der Landadel von den Städtern ab und hält seinen Kreis exklusiv. Die städtische Oberschicht bemüht sich daher Adelsdiplome, die vom Kaiser vergeben werden, zu ergattern.
Auf dem Hansetag besprechen die Vertreter der Städte 1518 aktuelle Handelsangelegenheiten. Diese müssen vorab vor der Tagung festgelegt und formuliert werden. 21 Städte senden ihre Vertreter, die Ratssendeboten, zur Versammlung nach Lübeck. Konflikte zwischen den einzelnen Hansestädten werden diskutiert, genauso wie Probleme mit ausländischen Kontoren. Ebenso wird besprochen wie mit dem Machtzuwachs des Fürsten umzugehen ist. Die Autonomie vor allem der kleineren Handelsstädte wird dadurch bedroht. Städte, die sehr eng an ihren jeweiligen Landesfürsten gebunden sind, sollen daher nicht mehr zum Hansetag eingeladen werden. Oftmals sind die Handelsvertreter untereinander erbitterte Konkurrenten. Ab dem 16. Jhd. geht es durch Probleme, die durch die Globalisierung des Handels entstehen, mit der Hanse kontinuierlich bergab. Die großen Mengen an Silber und Gold, die mit dem Fernhandel nach Europa kommen, führen zu einer ungeheuren Geldvermengung und dies wiederum zu einer Verteuerung der Produkte. Die Inflation naht. Vor allem für Nahrungsmittel steigen die Preise massiv an.
Die Reformation verleiht Deutschland ein neues Gesicht. Die alte Macht von Papst und Kaiser zerbricht, neue Kirchen entstehen. Die Landesherren gewinnen in ihren Territorien an Macht – auch weil diese über den Glauben ihrer Untertanen und den alten Kirchenbesitz bestimmen dürfen. Das Christentum verfällt in verfeindete Konfessionen. Oft gibt es Gewalt. Frankreich erlebt 1572 mit der Bartolomäusnacht den Mord an 10.000 protestantischen Hugenotten. Tausende finden in Deutschland eine neue Heimat. Eine Zeit der Glaubensflüchtlinge beginnt. Die neuen Zeiten sind kalt. Eine kleine Eiszeit hat Europa im 16. Jhd. im Griff. Flüsse und Seen frieren zu, auf der Nordsee schwimmen Treib- und Packeis. Lange und schneereiche Winter und regenreiche, nasse Sommer führen zu großen Ernteausfällen. Die Menschen hungern. Die Kaufleute der Hanse werden im 16. und 17. Jhd. vom Wandel der Zeit eingeholt. Das Leben ist geprägt von Kriegen, sozialen sowie wirtschaftlichen Umbrüchen und dem Aufkeimen der Nationalstaaten, die das Ende des einst so mächtigen Kaufleute- und Städtebündnisses bedeuten. 1669 folgen nur noch 6 Städte der Einladung zum Hansetag in Lübeck. Dies ist der letzte Hansetag der stattfindet und das Ende der Hanse.
Nach der Entdeckung Amerikas und des direkten Seewegs nach Indien gewinnt der globale Fernhandel rasch an Bedeutung. Die großen Gewinne werden jetzt im Überseegeschäft gemacht. Neue Handelsnationen wie Portugal, Spanien und die Niederlande sind die ‚Global Player‘ dieser Entwicklung. Die mächtigen Handelskompanien haben sich zeitgemäß als Aktiengesellschaften organisiert. Für die Hanse bleiben Nord- und Ostsee die wichtigsten Märkte. Auch hier nimmt dieser die Konkurrenz das Heft aus der Hand. Ahnen die Gesandten im Lübecker Rathaus 1669, das diese das Ende der Hanse miterleben? Wahrscheinlich nicht. Sicherlich sind sie enttäuscht und hatten sich mehr von dem Treffen erhofft. Die Optimisten unter ihnen glauben womöglich, die Probleme könnten wieder einmal vertagt werden. Bis zum nächsten Hansetag z. B. Bislang war es ja auch immer weiter gegangen. Dass die Hanse ihre besten Zeiten hinter sich hat, wissen sie. Aber sie glauben an eine Zukunft. Dabei ist diese endgültig vergangen. Die letzten drei Hansestädte übernehmen die Nachlassverwaltung der nicht mehr handlungsfähigen Hanseorganisation und verkaufen die letzten Kontore. Bis ins 20. Jhd. verlängern Lübeck, Bremen und Hamburg ihre Allianz – und tragen so den Namen der Hanse in unsere Zeit hinüber. Bis heute.