Zwischen Indiokultur und westlicher Tradition

In Coatzacoalcos steige ich um in den Bus nach Tuxtla Gutierrez. Das wunderschöne Hochland von Chiapas zieht während der Fahrt an mir vorbei. Saftiggrüne Wiesen wechseln mit Palmen, der Sonnenschein taucht alles in strahlendes Licht. Jetzt fühlt sich meine gewählte Route absolut richtig an, San Cristobal de las Casas liegt auf 2000m Höhe, es geht also stetig bergauf. Ab Tuxla nehme ich ein Taxi, weil die Busse für die nächsten Stunden mal wieder total überfüllt sind. Zur Sicherheit buche ich gleich den Nachtbus nach Merida in zwei Tagen, die Plätze sind einfach zu schnell ausverkauft.

Die Taxifahrt dauert eine Stunde, die Landschaft ist gebirgig und wird durch die Sierra Madre bestimmt. „Ist Dir nicht kalt?“ fragt der Taxifahrer ungläubig und deutet auf mein kurzes T-Shirt. Es sind etwa 25 Grad. „Nein“ informiere ich ihn und strecke ihm meine Winterjacke entgegen „in Deutschland sind es derzeit gerade mal 5 Grad.“ Er versteht, schüttelt aber den Kopf und ich mustere sein langärmeliges Hemd, das wirklich bis zu den Handgelenken aufgerollt ist.

Vor dem Hostel, das ich ihm genannt hatte, setzt er mich ab. Die Unterkunft wird im Reiseführer empfohlen und ich drücke auf die Klingel. Niemand macht auf. Ich klingel Sturm, nichts! Immerhin geht gegenüber die Tür eines anderen Hostels auf. „Die Posada ist schon lange zu.“ ruft der Mann, der in der Türöffnung aufgetaucht ist. „Ich hab leider auch nichts mehr frei.“ er hebt entschuldigend die Arme. Diese Reise ist echt bescheiden geplant, ich ärgere mich ein bisschen. Trotzdem ist es mir lieber so, weil ich freier in meiner Entscheidung bin, wie meine Reise auszusehen hat und selbst bestimme wie viel Zeit ich an welchem Ort verbringe. Im Voraus buchen heißt sich vorab festlegen.

„Da drüben ist noch ein Hostel, probiere es da.“ versucht der Mann mir nochmal unter die Arme zu greifen. Er hat Recht, hier ist noch ein Zimmer frei.

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Ein Spaziergang durch San Cristobal beginnt am besten an der Plaza 31 de Mayo, dem Herz der Stadt. Zahlreiche Indiofrauen bieten neben selbst gewebten Ponchos und Tüchern auch Obst oder Süßigkeiten an. Ich schlendere durch die Strassen und genieße die bunte Kolonialarchitektur. Ich lausche den Panflöten und Trommeln der Indios, die am Strassenrand in einheimischen Trachten Musik machen und dazu traditionelle Tänze aufführen. Ich werfe den Musikanten ein paar Pesos in den Hut. Die Sonne scheint und die warmen Strahlen tanzen auf den Dächern der Häuser. Der Himmel ist wolkenlos und blau und ich fühle die Wärme auf meinem Gesicht. Farbenprächtige einstöckigen Häuser reihen sich aneinander und führen in kleinen Strassen vom Stadtzentrum die zwei Hausberge San Cristobals hinauf. Beide Berge sind von Kirchen gekrönt, der Aufstieg ist über unzählige Treppenstufen anstrengend, der Blick ist jedoch fantastisch und entschädigt sofort.

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Dieser Schmelztiegel von tief verwurzelter Kultur und modernem Luxus strengt an. Ich sehe Indiofrauen, die bis an die Belastungsgrenze Stoffe und Ponchos auf dem Kopf und dem Rücken schleppen, so schwer tragend, dass man sie am liebsten stützen würde. Ein paar Schritte weiter reihen sich die Schmuckläden in der Altstadt dicht aneinander. Zwischen den günstigen Maiskolben am Strassenrand und den teuren Steakrestaurants liegen Welten. Indigene Tradition trifft auf westlich angehauchte Werte, ärmlich existiert neben sehr wohlhabend, diese Stadt fesselt mich. Es dämmert schon, als ich mich auf den Weg ins Hostel mache. Gemütlich lasse ich den Tag bei einem Glas Wein ausklingen.


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