Mit Abschlepphaken nach Mexiko

Meine Hände zittern noch leicht während sie auf dem Handgepäckkoffer ruhen, der mir soeben beinahe zwischen Bordstein des Gleises und Zug hindurchgefallen wäre. Was für eine Aufregung! Meine Mutter hatte mich zum Bahnhof gebracht, gestern haben wir zusammen Weihnachten gefeiert. Sie wird in den Fensterscheibe des Zuges immer kleiner, sie winkt. Ich winke zurück, die Vorfreude steigt.

Am Flughafen angekommen wähle ich den Self-Check-In Automaten. „Haben Sie ein Visum oder eine Esta-Antrag“ blitzt auf dem Display des Computers aus. Ich drücke „Nein“, für mich selbstverständlich, ich muss ja in den USA nur Umsteigen. Ich erhalte kein Ticket. Mist! „Sie brauchen zumindest den ausgefüllten Esta-Antrag“ belehrt mich der ältere Herr vom Bodenpersonal. Da drüben am Schalter kann das jemand für Sie übernehmen.“

Ich erkenne sofort, welcher Schalter gemeint ist, die sich windende Menschenschlange davor zeigt mir, dass ich nicht die Einzige ohne Esta bin. Tröstlich diese Erkenntnis, schließlich zahle ich für den Esta-Antrag das 2,5 fache des eigentlichen Preises. Was bringt es sich zu ärgern, ich kann fliegen, meine Urlaubsfreude ist ungebrochen.

Esta und Bordkarte fest umklammert marschiere ich zur Sicherheitskontrolle. Brav lege ich Tasche und Koffer auf das Band, das sich unaufhörlich und langsam dem Scanner zubewegt. Die Mitarbeiterin davor sieht mich komisch an „Was haben Sie denn in Ihrer Tasche?“ fragt sie mich forsch. „Wieso?“ gebe ich ahnungslos zurück. „Etwas massives“ kommt prompt die Antwort. Skeptisch sieht sie mich an.

Oh je! Plötzlich fällt mir ein, was das wohl in der Tasche ist. Meine Gedanken triften zu einem gemütlichen Winterwochenende im Schwarzwald. Nach plötzlichem Schneefall hat mein kleiner VW up die Auffahrt nicht mehr geschafft und musste von unserem Hauswirt mit dem Traktor hochgezogen werden. Ich saß hinter dem Steuer um gegenzulenken. Dabei war ich so verkrampft in Sorge um mein Auto, wenn man mich hochgehoben hätte, wäre ich wahrscheinlich immer noch in der sitzenden Position erstarrt gewesen.

Aus dem Schnee wurde ich mit einem Abschlepphaken gezogen, der sich seither völlig vergessen in meiner Tasche befindet. „Das ist ein Abschlepphaken“ erkläre ich stockend die Situation. Um mich wird Gelächter laut, das Bodenpersonal amüsiert sich. Meine Tasche wird genau inspiziert. „Wollten Sie das Flugzeug abschleppen?“ fragt mich der Untersuchende grinsend. Ja klar, selten so gelacht. Ich darf den Haken mit nach Zentralamerika nehmen. Nirgendwo steht, das wäre verboten. Da bin ich ja mal gespannt, was die Amerikaner sagen. Ob die wohl so kulant sind?

Im Flieger sitze ich neben Max, er steigt ebenfalls in Atlanta um. Sein Ziel ist San Antonio, um den Eltern seiner Freundin vorgestellt zu werden. Die beiden haben sich während einer Thailandreise kennengelernt, als sie am Mindfulness Project in Khon Kaen teilgenommen haben (http://www.mindfulness-project.org/). Gegen einen Beitrag von 5 Euro pro Tag gibt es morgens eine Yoga- und Meditationsrunde, sowie Kost und Logie. Ich meditiere auch morgens vor der Arbeit, das ist eine Idee für die nächste Reise! Seit Thailand sind Max und Freundin ein Paar und wollen gemeinsam in Holland studieren, in Maarstricht.

Ich wünsche den beiden viel Glück. Partner aus verschiedenen Kulturen haben es nicht leicht. Beide müssen viel kommunizieren, um Missverständnisse zu vermeiden und die eigene Situation zu erklären. Was man sagt und meint, kann sehr unterschiedlich sein. Das weiß ich auch aus eigener Erfahrung. Jeder ist durch seine kulturelle Herkunft und seine Erziehung geprägt. Dadurch setzt man unterschiedliche Prioritäten in vielen Aspekten der Beziehung und des Alltags. Verschiedene Erfahrungen und Werte müssen miteinander vereinbart werden. Könnte eigentlich auch ein Vorteil sein denke ich. Gerade, weil man Missverständnisse erwartet kommuniziert man eventuell mehr.

Der Ansatz der beiden gefällt mir dennoch, erscheint womöglich wie eine Lösung. Beide ziehen zusammen in ein Land, in dem sie fremd sind. Dort wird niemand auf sie warten und sie müssen sich beide zurecht finden und ihr Leben organisieren. Vielleicht ist das die Brücke zwischen den Kulturen, die es braucht. Ein gemeinsames Anfangen, in dem beide fremd sind. Ich drück die Daumen!

In Atlanta angekommen, muss ich meine Fingerabdrücke bei der Einreise hinterlassen. Ein komisches Gefühl, als hätte ich was angestellt ohne zu wissen was. Die Amerikaner sind auch nicht so gleichgültig gegenüber dem mitgeführten Abschlepphaken. Ich könnte ihn ja als Waffe benutzen, er ist zu schwer. Ich muss nochmal raus und meinen Koffer aufgeben. Zum Glück verläuft dann alle reibungslos.

Es ist spät als ich in Mexiko City ankomme. Fast 23h. Ich buche mir eins der Taxis direkt am Schalter im Flughafen und komme sicher ins Hostel. Nach 14h in der Luft bin ich kaputt, nach einer erfrischenden Dusche schlafe ich sofort ein.


Ein Gedanke zu “Mit Abschlepphaken nach Mexiko

  1. Mit einem Abschlepphacken durch den Sicherheitscheck? Wie geil ist das denn…😂
    Ich mag deine Geschichten, super spannend 😊 du kannst echt gut schreiben.

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