Tanz der Skelette

Schwermütig fällt die Glastür ins Schloss. Ein zarter Lufthauch quetscht sich durch den schmalen Spalt und streicht als sanfter Hauch über das alte Gemäuer. Ich blicke zur Decke der kleinen Kapelle in Gutach-Bleibach im Schwarzwald. Direkt über mir, die fleischlosen Kiefer leicht zum lautlosen, hämischen Grinsen geöffnet, tanzen Skelette mit Menschen aus den verschiedensten Berufen und Gesellschaftsschichten. Die Botschaft ist klar: Der Tod holt eines Tages jeden ab, egal ob reich oder bettelarm, klug oder strohdumm, schön oder furchtbar hässlich. Schon greift ein Knochenmann aus dem Totenspuk nach einer goldenen Krone. Der König muss wie jeder andere natürlich auch irgendwann sterben. Am Lebensende trifft es alle gleich. Auch den Geistlichen, der neben dem Adligen steht, hat der Gevatter bereits am Schlafittchen. Eindringlich fast der Sensenmann dem Bischof an den prächtigen Mantel. Ein Tanz auf Gedeih und Verderben, der nur tödlich enden kann. ‚Ich will Dich jetzt mitnehmen!‘ so steht es dem lächelnden, hautlosen Schädel ins Gesicht geschrieben. Ein Abt sieht beschämt weg. Schon erfassen diesen die leeren, schwarzen Augenhöhlen des Gerippes. Weltlich oder religiöse Mächte haben hier keinen Belang. Angst steht in den Augen des Kaisers als sich eines der Todesengel ihm zuwendet. Kriege hat er erfolgreich geführt, aber gegen den Gang in die Ewigkeit kann er nicht revoltieren. Auch ein kleiner Junge tritt leider seinen letzten Gang an, mit einem knallroten Apfel in der knöchernen Hand lockt der hagere Begleiter. ‚Komm mein Kind und tanz mit mir.‘

So bewegt sich der Totentanz weiter. Ob Christ oder Atheist, jeder muss mitgehen. Der Tod lässt niemals mit sich diskutieren oder verhandeln. Dem reichen Bürger hilft sein umfangreiches Hab und Gut dabei nicht. Der geldgierige Kaufmann lässt seinen wohlhabenden Lebensstil und alle Güter zurück. Jeder muss ins Jenseits. Ein runzliges, altes Weib freut sich schon auf den Ball. Sie beginnt sich in den Armen des Gevatters zu wenden. Keiner der Sterbenden hat den Mut wegzusehen. Herrisch fasst der Tod eine Locke der schönen Edelfrau. Entsetzten und Unmut liegt in den Augen der Gehenden. Bei Anderen spiegelt der Blick stillen Gehorsam oder willkommene Erlösung. Im Schalk und Schabernack setzt sich der Tod den Hut einer blasen Adligen auf ‚Sehe ich nun aus wie eine Frau.‘ fragt das knöcherne, bleiche Schädelgesicht lachend. Der alte Mann zu seiner Rechten wartet schon und will endlich gehen. Er stirbt gerne, zu lange hat er schon gelebt. Wer ein ehrliches, gutes Leben geführt hat, hat hier nichts Böses zu befürchten, so prophezeit eines der Skelette einer Äbtissin. Daher wird auch ein blinder Mann sicher ins ewige Leben geführt. Ebenso muss der Böse dem Lied des Todes folgen. Und ‚So sind die Schulden alle quittiert und die Bösen werden täglich exekutiert.‘ ANNO 1723


8 Gedanken zu “Tanz der Skelette

  1. Wìe immer war man wieder dabei gefangen von der bildhaften und packenden Schilderung des Geschehens, wie man es gewohnt ist und erwartet bei ďeinen Berichten, die einen gefangen nehmen und voller Vorfreude auf den nächsten Bericht ungeduldig der kommenden Dinge harren lassen. HERZLICHEN DANK . GERD😎😀

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  2. Diese Art „Tanz“ könnte uns in der heutigen Zeit auch mitunter gut stehen. Wir als Gesellschaft neigen längst dazu, den Tod zu ignorieren, als gäbe es ihn nicht.

    Hast du mal „das siebente Siegel“ gesehen?

    Aber der eigentliche Punkt des Kommentars – die Fotos find ich gut.

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    1. Hallo Rhiannon,

      da hast Du Recht. Meine Spanischlehrerin ist aus Mexiko und dort herrscht ein ganz anderes Verhältnis zum Tod. Einmal im Jahr wird auf dem Friedhof mit den Verstorbenen gefeiert, gegessen und getrunken.

      Ich kenn nur das siebte Zeichen…
      Dankeschön, freut mich, dass sie Dir gefallen. Ich war zum Glück allein in der kleinen Kapelle und hatte freies Sichtfeld.

      Liebe Grüße
      Lisa

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      1. in vielen Ländern wird das Thema ganz anders praktiziert … Spanien, Italien, Mexiko und vieles mehr … in Wien wiederum hast du die schräge Mentalität des „lieben Augustin“ …. Parks, die einst Friedhöfe waren und dergleichen …

        wenn du die Zeit hast, den Film zu sehen … – Der Tod als Figur und spielt mit einem Menschen ein Spiel, quasi um sein Leben. Könnte dir gefallen.

        Ein schönes Restwochenende wünsche ich.

        LG

        Rhia

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      2. Hallo Rhia,
        absolut, es ist ja auch eigentlich ein Teil des Lebens. 🤷‍♀️
        Die Augustingeschichte kenne ich aus Nürnberg, das ist wohl eine wandernde Legende. 🙃 Du meinst glaube ich den Brandner Kasper und das ewige Leben? Ja den habe ich gesehen, ein lustiger Film. Liebe Grüße an Dich und einen schönen Sonntag
        Lisa

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      3. Es geht um den Ritter Antonius Block der vom Kreuzzug heimkommt und die Heimat von der Pest verwüstet vorfindet. Gedreht in Schweden, 1957. 😉

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