Warten auf den weltgrößten Kuckuck

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163 Meter stürzen Deutschlands höchste Wasserfälle in Triberg im Schwarzwald in zierlichem Strahl zwischen den Wegen und hölzernen Brücken hinab. Schäumend und monoton rauschend springen die Wellen der Gutach über die spitzen dunklen Felsen. Die dunkelgrünen Wipfel der Tannen schwingen im leichten Sommerwind und der erfrischenden Brise die durch die tosenden Wassermassen erzeugt wird. Der Himmel leuchtet in einem strahlenden Blau und ist völlig wolkenlos. Die Sonnenstrahlen auf der unbedeckten Haut zu spüren tut gut. Am Fuß der hölzernen Geländer, die alle Besucher vor den schroffen Klippen schützt, sprießen hellgrüne Farne. Auf den vielen Gesteinshügeln, an denen sich der Fluss elegant entlang schlängelt, schmiegen sich zarte, weiche Moosteppiche in leuchtendem Dunkelgrün. Wie arrangierte Springbrunnen wirken die zierlichen Kaskaden.

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Ich lehne mich an die hölzerne Balustrade. Die vielen kleinen Brücken über den Abgrund zwischen den kleinen Katarakten sind voller Touristen. Ich blinzle gegen das gleißende Sonnenlicht und blicke die abfallenden Hänge bis zum Beginn der Wasserfälle hinauf. Ohne die vielen Touristenmassen wäre dies ein wunderbarer Ort. So versprühen die Besucher im gesamten Areal eine fühlbare Hektik, die im Urlaub eher stört. Nach einem angenehmen Spaziergang ist der oberste Punkt der Triberger Fälle erreicht. Mein Blick ruht weiter auf den Horden der Urlauber, die wie bunte Ameisen die hölzernen Stege verstopfen und in scheinbar endlosem Strom die Wassermassen erklimmen. Leichtfüßig springe ich die Wege wieder hinab. So schön dieses Naturschauspiel auch ist, diese Attraktion ist gerade jetzt im Frühling völlig überlaufen. Ich ziehe erleichtert die Autotür auf. Es ist lediglich eine kurze Fahrt bis zu Deutschlands erster weltgrößter Kuckucksuhr in Schonach.

Im Schwarzwald werden seit dem 18. Jhd Kuckucksuhren hergestellt. Der Uhrmacher Josef Dold erbaute in Handarbeit zwischen 1977 und 1980 in Schonach die erste weltgrößte Kuckucksuhr. Sie sieht aus wie ein kleines Schwarzwaldhäuschen. Im Inneren dieser Uhr baute der Handwerker ein riesiges von Hand gefertigtes Holzuhrenwerk. Das Uhrwerk läuft völlig mechanisch und ohne Batterie. Zur jeder vollen und halben Stunde zeigt sich ein 80cm großer Kuckuck und ruft die aktuelle Uhrzeit aus. Insgesamt ist das Uhrwerk 1,00m x 3,50m x 3,30m groß. Das größte Rad darin hat einen Durchmesser von 1,85m. Das hölzerne Pendel im Inneren der Uhr ist fast 3m lange. Erbaut hat Herr Dold sein Kunstwerk in einem Maßstab von 50:1. 1984 schaffte er es damit sogar ins Guinessbuch der Rekorde. Da es inzwischen angeschlossen an den Eble Uhrenpark in Triberg noch eine größere Kuckucksuhr gibt, wurde der Eintrag im Jahr 2000 auf ‚Erste Weltgrößte Kuckucksuhr‘ geändert. Die weltkleinste Kuckucksuhr wurde übrigens ebenfalls bei einem Uhrmacher in Triberg hergestellt. Diese ist auch voll mechanisch und lediglich  13.5 cm hoch.

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Ich ziehe die Haustür zum Innenraum der Kuckuckstür auf. Der Eintritt kostet überschaubare zwei Euro. ‚Erste weltgrößte Kuckucksuhr zu besichtigen.‘ steht gut leserlich auf der Hausvorderseite. Den ganzen Innenraum erfüllen die hellbraunen Holzräder des riesigen Uhrwerks. Monoton schwingt das Pendel im Takt zum Rattern der vielen Rädchen. Kleinere Ausgaben der Kuckucksuhr hängen an den Wänden und hüllen den Raum in die Melodie eines konstanten Uhrentickens. Ein Ton überlagert dabei bereits den nächsten. Durch die gleichmäßige Konzertkulisse folge ich den beständigen Geräuschen hinter das kleine Häuschen und zum Fenster des Kuckucks. Es wird noch dauern bis der Vogel sich zur vollen Stunde zeigt. Gegen die Sonne schirme ich meinen Blick mit beiden Händen an die Stirn gelegt ab. Dann warte ich.

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Mühsam verrinnen die folgenden Sekunden und Minuten. Wie die Glieder eines Greises bewegen sich die Zeiger der Uhr unterhalb des Fensters auf quälend langsame Weise. Meine Arme werden vom Hochhalten müde. Wartend stemme ich die Hände in die Hüften. Dann setze ich mich an den Wegesrand im Garten vor dem Häuschen. Ich warte weiter. Wie furchtbar öde. Ich stütze die Ellenbogen auf die Knie ab und schütze mit den Händen erneut mein Gesicht vor der Sonne. Immer wieder schaue ich erwartungsvoll zu den zierlichen Fensterläden empor. Nach dem Ansturm auf die Attraktion der Triberger Wasserfälle umfängt mich nun das andere Extrem der völligen Monotonie und Eintönigkeit. Ich bin der einzige Besucher. Und das ist mir nun gerade wieder auch nicht recht. Geduld ist auch nicht meine Stärke. Da öffnen sich schleppend die Holzläden des Häuschens. Zögernd lässt sich der Kuckuck in der Sonne blicken. Nach einem einmaligen Ausruf ‚Kuckuck‘ verschwindet er wieder in seiner Öffnung. Das war es. Mehr gibt es nicht zu sehen!

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